Start-up-Szene Nürnberg: "Nicht so viel drüber reden, sondern machen!"

Es muss nicht immer Berlin sein: Auch in der Region Nürnberg-Fürth-Erlangen gibt es einfallsreiche Internet-Existenzgründer. Zwei von ihnen leisteten mit designenlassen.de Pionierarbeit und behaupten sich seit über fünf Jahren erfolgreich am Markt. Ich wollte mehr wissen.

Michael Kubens (37) und Eugen Sobolewski (35) riefen mit ihrer Kreativ-Plattform designenlassen eine Online-Geschäftsidee ins Leben, die es bis dato im deutschsprachigen Raum nicht gegeben hatte. Ich traf mich mit Michael im designenlassen-Büro im Nürnberger Stadtteil St. Johannis auf einen Kaffee und ein Wasser.

Michael, was ist designenlassen? Was können User auf eurer Website machen?
Wir sind eine Crowdsourcing-Plattform für Design-Dienstleistungen und bieten einen Marktplatz mit zwei Seiten: Auf der einen Seite gibt es die Designer – unsere Community zählt momentan etwa 20.000. Die sind bei uns kostenfrei angemeldet und können auf designenlassen an Wettbewerben teilnehmen, um neue Kunden zu gewinnen. Auf der anderen Seite stehen die Kunden, die die Wettbewerbe ausschreiben.

Wer sind eure Kunden und wie läuft ein Wettbewerb ab?
Meist sind es kleine Unternehmen, die nur sporadischen Designbedarf haben. Sie brauchen zum Beispiel ein Logo oder ein Webdesign. Diese Auftraggeber beschreiben auf designenlassen, was sie haben möchten, und setzen ein Preisgeld fest. Die Untergrenze liegt bei 175 Euro, die meisten Preisgelder bewegen sich zwischen 300 und 500 Euro. Die Designer-Community entwirft daraufhin Vorschläge, die der Auftraggeber kommentieren kann. Das Design wird weiterentwickelt, am Ende sollte der Auftraggeber dann sein Wunschdesign bekommen. Dessen Designer ist dann der Gewinner des Wettbewerbs. Sollte kein passender Entwurf dabei gewesen sein, kann der Auftraggeber sein Preisgeld zurückbekommen.

Die designenlassen-Gründer Michael Kubens und Eugen Sobolewski
Die designenlassen-Gründer Michael Kubens (links) und Eugen Sobolewski.

Wann seid ihr online gegangen?
Im November 2008. Wir waren im deutschsprachigen Markt die Ersten mit diesem Konzept und starteten mit null Designern, null Kunden und null Traffic. Keine Sau kannte uns (lacht). Anfangs haben wir über unser persönliches Netzwerk Kunden und Designer akquiriert.

Wie entstand die Idee zu designenlassen?
Das war eigentlich ein Zufall: Eugen und ich hatten vor designenlassen eine Spezial-Agentur gegründet, die Software für Fertighäuser und Hausbau-Unternehmen entwickelt. Wir brauchten für unsere eigene Software ein Logo, schrieben den Auftrag bei Xing aus und wurden mit Angeboten überschüttet. Manche boten uns Designs für 50 und manche für 5000 Euro an. Wir erlebten selbst als Kunde, wie sehr man gezwungen ist, designtechnisch die Katze im Sack zu kaufen. So entwickelten wir die Idee des Design-Crowdsourcings. designenlassen war zunächst ein Nebenbei-Projekt, entwickelte sich aber schnell zu einer Rakete.

Wie hat sich euer Unternehmen in den letzten fünfeinhalb Jahren entwickelt?
In den ersten Monaten kamen ein, zwei Projekte pro Tag rein und es haben ein paar Hundert Designer mitgemacht. Für die kritische Masse hat das bereits gereicht. Mittlerweile liegen wir bei 300 bis 400 Designprojekten pro Monat und unsere Community hat rund 20.000 Designer. Wir konzentrieren uns auf die D-A-CH-Region, also Deutschland, Österreich und die Schweiz. Internationalisierung war mal ein Thema für uns, ist dann aber wieder zurückgestellt worden. Gleichwohl gibt es eine englische, spanische und französische Version von designenlassen, die wir marketingtechnisch aber nicht vorantreiben.

Wie habt ihr euch in der Anfangszeit finanziert und wie tut ihr dies jetzt?
Wir hatten nie externes Kapital, sondern haben immer auf Bootstrapping [Firmengründung ohne Fremdkapital – Anm. d. Verf.] gesetzt. Schwarze Zahlen haben wir von Anfang an geschrieben, wobei wir uns in den ersten Jahren kein Gehalt gezahlt haben. Wir waren durch unser anderes Geschäft abgesichert. In den ersten zwei Jahren von designenlassen hatten wir nur Praktikanten als Mitarbeiter. Seit zwei, drei Jahren konzentieren wir uns voll auf die Plattform und haben auch Vollzeit-Mitarbeiter, derzeit sind wir zu fünft im Team. Mittlerweile können wir uns jedes Jahr über einen kleinen Gewinn freuen. Wir werden nicht reich damit, können aber gut davon leben.

Wer macht was im Team?

Eugen und ich sind die Geschäftsführung, wobei er eher den technischen Bereich managt. Ich bin eher im kaufmännischen Bereich und im Kundenkontakt tätig. Eine Mitarbeiterin managt den Support, eine weitere macht unser Marketing und unser Azubi konzentriert sich ebenfalls auf den Support sowie die Buchhaltung.


Das designenlassen-Logo
Das designenlassen-Logo

Wie sahen eure Marketing-Aktivitäten in der Anfangszeit aus und wie stellt ihr jetzt sicher, dass man eure Site kennt und nutzt?
Wir setzen hauptsächlich auf Online-Marketing und bilden alles inhouse ab, also ohne Dienstleister. Anfangs waren wir sehr stark in Blogs aktiv, versuchten unseren Content unterzubringen und haben uns in Foren an Diskussionen beteiligt. Unsere Facebook-Seite pflegen wir sehr intensiv, mittlerweile haben wir knapp 3000 Fans. Suchmaschinenoptimierung, SEO, und Suchmaschinenwerbung, SEA, sind weitere Schwerpunkte. Im SEA-Bereich fahren wir unsere Kampagne mit Nischenkeywords, wobei die Klickpreise mit über zwei Euro nicht gerade niedrig sind. Affiliate-Marketing betreiben wir auch und richtig wichtig ist uns das Empfehlungs-Marketing: Unsere Kunden bekommen einen 20-Euro-Amazon-Gutschein, wenn sie uns in ihrem Bekanntenkreis weiterempfehlen.

In der Vergangenheit hat man euch mitunter harsch kritisiert: Konzepte wie das von designenlassen würden das Grafikdesign zur Dumping-Branche machen und entwerten, hieß es zum Beispiel seitens der Alliance of German Designers (AGD). Wie überrascht wart ihr von den Angriffen? Was sind eure Gegenargumente und wie hat sich der Konflikt in den letzten Jahren entwickelt?
Überrascht hat es uns auf jeden Fall, wobei ich die Kritik aber auch nachvollziehen konnte. Für manche Designer stellte designenlassen das bekannte Geschäftsmodell auf den Kopf. Auch wurde unser Konzept teils falsch interpretiert: Es hieß, bei einem Wettbewerb auf designenlassen würden 100 Designer mitmachen, nur einer gewinnen und folglich 99 für die Tonne arbeiten. Tatsächlich aber kommen die 100 Vorschläge nur von sieben oder acht Designern. Viele Designer sind seit fünf Jahren bei uns und kommen gut mit unserem Konzept klar. designenlassen ist nicht für jeden Designer geeignet. Du musst schnell und effizient arbeiten. Tagelang im Keller an Entwürfen zu arbeiten funktioniert da nicht.


Krisenkommunikation: designenlassen suchte den Dialog mit der AGD
Krisenkommunikation: designenlassen suchte den Dialog mit seinen Kritikern.

Ihr habt aber auch nachgebessert, oder?
Ja, definitiv, denn viele Kritikpunkte waren ja berechtigt. Anfangs boten wir keine Vorkasse an, die Zahlung wurde direkt zwischen Designer und Auftraggeber abgewickelt. So kam es vor, dass Auftraggeber einfach nicht gezahlt haben. Das kann jetzt nicht mehr passieren. Mittlerweile bieten wir auch garantierte Projekte, bei denen auf jeden Fall gezahlt wird. Der Auftraggeber kann dann keinen Rückzieher mehr machen wie bei den normalen Wettbewerben. Auch Direktaufträge ohne Wettbewerb sind mittlerweile möglich. Im Kern sind und bleiben wir aber eine Wettbewerbsplattform, denn das ist aus Kundensicht der größte Vorteil von designenlassen. Seit zwei, drei Jahren haben sich die Gemüter auch wieder beruhigt, der Shitstorm ist vorüber.

Stichwort Ideenklau: Wie stellt ihr sicher, dass ein Auftraggeber nicht die Entwürfe eines Wettbewerbs abgreift, dann einen Rückzieher macht und diese anderweitig umsetzen lässt?

Verhindern können wir so etwas nicht. Das kommt aber gottlob nur sehr selten vor. Wer so etwas macht, begeht eine klar dokumentierte Urheberrechtsverletzung. Dann greifen wir als Plattform ein, versuchen es erstmal im Guten zu klären und schreiben den Auftraggeber an. In 99 Prozent der Fälle bekommt der Designer dann doch noch sein Geld.

Zurück zum Positiven: In der Vergangenheit gab es namhafte Auszeichnungen für designenlassen: IHK-Gründerpreis 2011, Preisträger Gründerwettbewerb Multimedia des Bundeswirtschaftsministeriums, Innovationspreis-IT der Initiative Mittelstand – wie kam es dazu?
Wir haben anfangs sehr aktiv nach solchen Wettbewerben gesucht. Wir hatten kein großes Marketing-Budget und wollten uns dennoch schnell und reichweitenstark einen guten Namen machen. Wir haben an allem teilgenommen, was wir gefunden haben. Das wir so oft gewonnen haben, liegt in meinen Augen auch an unserem Konzept: Es lässt sich wunderbar einfach erklären. Die Jurys konnten sich das online anschauen, es war ein knackiges Thema mit bunten Bildchen (lacht). Das hat uns bei den Wettbewerben definitiv geholfen.

designenlassen auf vimeo





Michael, kommen wir zu den Menschen hinter designenlassen: Bitte erzähle uns etwas über euren persönlichen Werdegang.

Eugen ist Diplom-Informatiker, gebürtiger Russe und hat in Deutschland den zweiten Teil seines Studiums absolviert. Nach dem Studium hat er sich in Nürnberg selbstständig gemacht. Kennengelernt haben wir uns in der Agentur, bei der ich damals angestellt war. Er hat bei uns seine Diplomarbeit geschrieben und ich war sein Betreuer. Zwei Jahre lang haben wir projektbezogen zusammengearbeitet und sind super miteinander klargekommen. Ich habe Media-Systemdesign studiert, eine Mischung aus Marketing, Informatik und Design. Erst war ich zwei Jahre bei einer Agentur angestellt, dann habe ich als Marketingleiter bei einem Mittelständler aus der Fertighaus-Branche gearbeitet.

Würdet ihr anderen Internet-Start-ups empfehlen, ihr Glück im Großraum Nürnberg zu versuchen? Was spricht für die Region und was sind ihre Schattenseiten?
Nürnberg, Fürth und Erlangen bieten eine gute Szene, du kannst alle paar Wochen auf eine Veranstaltung, zum Beispiel SEO-Stammtische, Barcamps oder Webmontage. Die Region bietet auch gute und bezahlbare Fachkräfte. Im Silicon Valley wäre es definitiv teurer (lacht). Ich hätte auch gar keinen Bock, irgendwo in Berlin zu hocken, wo es unzählige Veranstaltungen gibt und du gar nicht weißt, welche du besuchen sollst. Ich finde Nürnberg super! Ein Nachteil der Region: Man kommt nicht so leicht an Kapital. Es gibt das Netzwerk Nordbayern, aber die können dir keine großen Venture-Capital-Player bieten. Wer ein paar Millionen Anfangskapital für sein Business braucht, wird hier nicht glücklich.

Das designenlassen-Team
Das designenlassen-Team (v.l.): Vanessa, Vanessa, Michael, Eugen und Patrick.

Welche Tipps habt ihr für Internet-Start-ups, die in der Region Nürnberg-Fürth-Erlangen ihr Glück versuchen wollen?

Just do it. Einfach loslegen. Nicht so viel drüber reden, sondern machen! Ihr braucht ein gutes Konzept und echten Mehrwert für den Kunden. In der Proof-of-Concept-Phase [Nachweis der Machbarkeit – Anm. der Verf.] solltet ihr auf Bootstrapping setzen, also euch komplett selbst finanzieren. Wenn wir mit designenlassen anfangs mit der Investorensuche Zeit vertrödelt hätten, wäre der Zug abgefahren gewesen. Dann wären wir die Dritten oder Vierten gewesen und heute vermutlich nicht mehr da.

Gibt es Persönlichkeiten der Internet- und Tech-Welt, die euch beeindrucken? Habt ihr Vorbilder?
Mich beeindrucken Leute, die klein anfangen und dann ein großes Ding daraus machen. Ralf Dommermuth fällt mir ein [Gründer der United Internet AG, der u.a. 1&1, WEB.DE und GMX gehören – Anm. d. Verf.]. Der startete bescheiden und hat jetzt eine Riesen-Aktiengesellschaft.

Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Wo seht ihr designenlassen in drei bis fünf Jahren? Was sind eure Ziele, was ist euer Traum?
In unserem Kernmarkt Deutschland-Österreich-Schweiz wollen wir weiter wachsen. 20 bis 30 Prozent pro Jahr, unter anderem in den Bereichen Umsatz, Projekte und Designer-Community. Da ist noch viel Luft nach oben. Auch wollen wir es nochmal mit der Internationalisierung versuchen, dann aber mit Investoren an unserer Seite. Vor einem Jahr haben wir eine Schwesterplattform für Videoerstellung namens voivio gegündet, die wir weiter ausbauen wollen. Wir haben definitiv noch einiges vor!

Michael, vielen Dank für dieses Gespräch! Alles Gute und weiterhin viel Erfolg!

Link-Tipps

Kommentare

Sebastian hat gesagt…
Schönes Interview. Freut mich, dass designenlassen.de sich durchgesetzt hat und sich auch trotz der mittlerweile vorhandenen und finanzkräftigen Konkurrenz behaupten kann. Weiter so. In Berlin ist es aber auch nicht ganz schlecht. ;-)

Hier bloggt Mathias Sauermann:

NEWSLETTER:

Erhalte die besten Beiträge meines Blogs >gratis und freibleibend!

Vernetze dich mit mir auf LinkedIn Xing FacebookInstagram.

Weitere spannende Beiträge dieses Blogs findest du in den Rubriken:
Online-Marketing-Tipps
Digitalisierung

Meinung!
Onliner-Allerlei


Titelbild: Digital Art unter CC0 1.0