Start-up-Szene Nürnberg: "Mein Herz schlägt für das Unternehmertum!"

Dr. Heinz Raufer (50) gründete das Nürnberger Erfolgsunternehmen hotel.de und startete jüngst die Plattform CheckMyBus. Er kennt das Internet-Business seit dessen Anfängen in den 1990er Jahren. Allerhöchste Zeit für mich, ihn um ein Interview zu bitten.

Der gebürtige Nürnberger und promovierte Wirtschaftsinformatiker engagiert sich zudem als Business Angel und Start-up-Helfer. Ich traf mich mit ihm in den Büros der CheckMyBus GmbH auf dem Campus Marienberg, ganz in der Nähe des Nürnberger Flughafens.

TEIL 1: Der Web-Entrepreneur

Herr Dr. Raufer, 1995 sicherten Sie sich die Domain www.hotel.de und legten den Grundstein für eine Online-Erfolgsstory. Bitte beschreiben Sie uns die damalige Zeit: Welchen Stellenwert hatte das Internet und wie haben Sie es gesehen?
Es herrschte eine starke Gründerstimmung. Deutschland war drei bis fünf Jahre hinter den USA zurück. 1995 starteten einige Internet-Systemhäuser, unser Unternehmen hieß Axis informations sytems GmbH. Wir boten Mail-Services, Web-Services, erstellten Produktkataloge und halfen Unternehmen, ins Internet zu kommen. Es war die frühe Pionierzeit und wir waren überzeugt, dass das Internet sehr bedeutsam werden würde.

Dr. Heinz Raufer, Gründer von hotel.de und CheckMyBus
Dr. Heinz Raufer: Der Nürnberger gründete hotel.de und CheckMyBus.

Wie entstand die Idee zu hotel.de?
Aus einem Brainstorming heraus. Wir fragten uns: Was kann man über das Medium Internet besonders gut anbieten? Uns fielen immaterielle Güter ein, zum Beispiel Reisen, Hotels, Mietwagen, Flüge. Bei Hotels ist es besonders einfach, denn man verschickt nur eine Buchungsbestätigung. Wir entwickelten ein Businessmodell ähnlich dem von eBay. Eines, bei dem wir als Vermittler auftraten.

2000 platzte die Dotcom-Blase, einst hochdotierte Web- und Tech-Unternehmen stürzten ab. Dennoch machten Sie aus der hotel.de GmbH eine AG. Was ließ Sie optimistisch bleiben?
Wir hatten bis 2000 ein Internet-Auktionshaus gegründet, die Atrada Trading Network AG. Wir veräußerten sie an T-Online und gründeten 2001 mit dem Geld hotel.de als Spin-Off [Firmengründung aus einer Institution heraus – Anm. d. Verf.]. Es war uns klar, dass das Internet nicht wegen der geplatzten Dotcom-Blase sterben würde. Wir waren überzeugt, dass sich die guten Ideen durchsetzen würden.

2006 gewinnt hotel.de den Deutschen Gründerpreis, in der Start-up-Kategorie werden Sie als "Entrepreneur des Jahres" ausgezeichnet. Was waren Ihre stärksten Gefühle in dieser Zeit?
Gefreut haben wir uns natürlich schon! Den Gründerpreis hatte das ganze Team gewonnen, wir hatten damals bereits rund 60 Mitarbeiter. Uns war aber klar, dass es wie im Sport nur eine Durchgangsstation sein würde: Einen Titel soll man feiern, sich aber nicht darauf ausruhen. Vor allem im Internet – wer hier ein Jahr untätig bleibt, wird gleich überholt.


Die Startseite von hotel.de
Die Startseite von hotel.de
(Screenshot)

Im ersten Halbjahr 2011 schafft hotel.de unter Ihrer Führung einen Umsatz von rund 19 Millionen Euro und hat monatlich mehrere Millionen Website-Besucher. Ende 2011 verkaufen Sie Ihre Anteile an den Kölner hotel.de-Konkurrenten und Marktführer HRS. Warum?
Zu diesem Zeitpunkt hatten wir hotel.de zur Nr. 2 in Deutschland aufgebaut. Unser Marktanteil lag bei über 20 Prozent. Neben uns und dem Marktführer HRS gab es noch Expedia Inc. aus den USA und booking.com aus den Niederlanden. Es wurde immer deutlicher, dass der Wettbewerb international stattfinden würde. Uns war klar, dass man mit Geld allein die Internationalisierung nicht schafft. Wir prüften verschiedene Szenarien und erkannten, dass die Geschäftskundenbereiche besonders interessant sind. Deshalb entschieden wir uns, weltweit mit HRS zusammenzugehen.

Wie lange blieben Sie noch bei hotel.de?
Bis September 2013. 2011 hatte ich mit der HRS-Geschäftsführung vereinbart, im Vorstand zu verbleiben. Ich entschied mich dann jedoch nach knapp zwei Jahren, nochmal ein neues unternehmerisches Projekt zu starten. Der Grund: Mein Herz schlägt für das Unternehmertum.

Wie schwer war es für Sie, hotel.de zu verlassen?
Es ist natürlich ein Einschnitt. Manche Mitarbeiter waren seit zehn Jahren Kollegen und wir waren erfolgreich. Anfangs hatten wir Jahresumsätze von 30.000 D-Mark, gegen Ende waren es rund 50 Millionen Euro. Das Loslassen fiel mir schwer.

Zusammen mit Ihren hotel.de-Gründungspartnern Torsten Sturm und Reinhard Wick gründen Sie Ende 2013 checkmybus.de. Was können User auf der Website machen und wie funktioniert das Geschäftsmodell?
CheckMyBus ist eine Suchmaschine für Fernbus-Linien und Fernbus-Anbieter. Wir wollen dem User in der undurchsichtigen Fernbus-Branche den kompletten Überblick bieten: Anbieter, Preise, Verfügbarkeiten, Strecken. Wir finanzieren uns durch Werbeerlöse, das zugrunde liegende Modell ist das Cost-per-Order-Prinzip: Kommt ein User über CheckMyBus auf die Seite des Fernbus-Anbieters und bucht dort, erhalten wir einen Anteil am Buchungsvolumen.


Die Startseite von checkmybus.de
Die Startseite von CheckMyBus.
(Screenshot)

Warum entschieden Sie sich für die Fernbus-Branche?
Es war keine generalstabsmäßige Suche nach einer Geschäftsidee. Die Fernbus-Branche wurde in Deutschland liberalisiert, in anderen Ländern hatte sich das Modell bereits etabliert. In der Wirtschaftsgeschichte war eine Liberalisierung immer eine Chance für Unternehmer. Auch ökonomisch und ökologisch ist es eine zukunftsträchtige Branche: Gemessen an der Pro-Kopf-CO2-Emission schneidet ein Bus besser ab als ein PKW und sogar als die Bahn, ebenso beim Preis pro Fahrgast. Schließlich motivierte uns auch der Erfolg des Hotel-Meta-Searchers Trivago.

Wie hart umkämpft ist der Markt?
Sehr hart umkämpft. Wettbewerb gibt es jedoch immer und das ist immer unangenehm (lacht). Wo etwas liberalisiert wird, gehen die Marktteilnehmer noch intensiver zur Sache als in anderen Branchen. Das Positive daran: Es findet ein Wettbewerb der Internet-Start-ups statt, was eine gute Entwicklung ist.

Stichwort Marketing: Mit welchen Kanälen und Disziplinen stellen Sie sicher, dass Ihre Zielgruppe CheckMyBus kennt und nutzt? 
Online-Marketing ist unser Schwerpunkt und hier zu 90 Prozent das Suchmaschinenmarketing. Zum einen die bezahlte Suchmaschinenwerbung [Search Engine Advertising, SEA – Anm. d. Verf.], zum anderen die Suchmaschinenoptimierung für das unbezahlte Ranking [Search Engine Optimization, SEO – Anm. d. Verf.]. Wir setzen vor allem auf guten Content. Pressearbeit ist ein weiterer Schwerpunkt bei uns, auch international. Derzeit bauen wir außerdem einen Affiliate-Marketing-Zweig auf, um Partnerseiten zu gewinnen, die unsere CheckMyBus-Suchmaschine einbinden.

Die CheckMyBus-Gründer Torsten Sturm, Reinhard Wick und Dr. Heinz Raufer
Das CheckMyBus-Gründerteam (v.l.): Torsten Sturm, Reinhard Wick, Dr. Heinz Raufer.

Ein Blick in die Zukunft: Was werden in Ihren Augen die entscheidenden Internet- und E-Business-Trends der kommenden Jahre sein?
Der Mobile-Bereich wird sehr stark wachsen. Das E-Commerce-Potenzial ist hier noch nicht voll ausgeschöpft. Die Geräte werden besser, schneller, größer und dadurch wird sich mehr Umsatz in die Mobile-Welt verlagern. Weiterer Trend: Die Bezahlmöglichkeiten verlagern sich stärker in die digitale Welt, zum Beispiel in Form von Micropayment [Zahlungsverfahren für digitale Güter wie z. B. Musik-Downloads – Anm. d. Verf.].

TEIL 2: Der Business Angel

Sie sind als Start-up-Helfer beim Netzwerk Nordbayern sowie als Business Angel aktiv: In beiden Funktionen helfen Sie Existenzgründern, erfolgreich ein Business zu starten. Welche Branchen fokussieren Sie?
Ich engagiere mich vorrangig für die Internet-, E-Commerce- und IT-Branche. Momentan bin ich zum Beispiel an der Nürnberger anwalt.de AG und dem Nürnberger Netzwerk-Monitoring-Dienstleister Paessler AG beteiligt.


Das Logo des Netzwerks Nordbayern
Das Netzwerk Nordbayern bietet Kontakte und Kapital für Gründer in Franken und der Oberpfalz.

Wie ist es um die Start-up-Bedingungen in Deutschland bestellt?
Verglichen mit den 1990er Jahren sind die Bedingungen viel besser geworden. Natürlich gibt es immer einen Kapital-Engpass. Im Silicon Valley sind die Investoren deutlich zahlreicher und finanzkräftiger. Aber mittlerweile bietet Deutschland eine gute Basis. Lukrative Ideen bekommen hierzulande auch eine Finanzierung.

Deutschland wird eine negative Gründermentalität nachgesagt. Trifft dies zu oder handelt es sich um ein Vorurteil?
Ich würde das nicht nur auf Start-ups beschränken. Allgemein hat der Unternehmer in Deutschland einen geringeren Stellenwert als zum Beispiel in den USA. Es ist hierzulande zwar besser geworden, aber grundsätzlich wird das Entrepreneurship in Deutschland weniger respektiert. Scheitern ist in Deutschland oft eine Brandmarkung, in den USA nicht. In den Staaten werden eher die Chancen als die Risiken gesehen, bei uns ist es umgekehrt.

Was sind die drei wichtigsten Charaktereigenschaften eines erfolgreichen Gründers?
Zunächst einmal muss er ein Visionär sein. Weiterhin muss er äußerst beharrlich sein, den berühmten langen Atem haben. Und schließlich muss er durchsetzungsstark sein.

Und was sind die häufigsten Fehler von Existenzgründern?
Marketing und Vertrieb werden am meisten unterschätzt. Viele im E-Business-Bereich glauben, man müsse nur eine Plattform hochziehen und das Geschäft läuft dann von alleine (lacht). Tatsächlich fängt da die Arbeit erst an. Man muss sich bekannt machen, Kunden gewinnen, die ersten Umsätze generieren, den Break-Even schaffen, also die Gewinnschwelle erreichen. Das geht nur mit Marketing und Vertrieb. Auch die Pressearbeit wird stark unterschätzt.

Für interessierte Start-ups: Wie kann man Sie kontaktieren?
Ich bin über das Netzwerk Nordbayern erreichbar, meistens über die eingereichten Ideen. Man kann mich auch direkt via Xing kontaktieren.


Das Xing-Profil von Dr. Heinz Raufer
Dr. Heinz Raufer auf Xing
(Screenshot)

TEIL 3: Der Nürnberger

Sie sind stets der Region Nürnberg-Fürth-Erlangen treu geblieben. Gab es je den Gedanken, es in Berlin, Hamburg oder im Ausland zu versuchen?
Den Gedanken gab es schon mal hier und da, klar! Aber der Großraum Nürnberg bietet gute Ressourcen. Entscheidende Vorteile haben wir in anderen Städten oder im Ausland nie gesehen.

Wie sehen Sie den Wirtschafts- und Start-up-Standort Nürnberg? Was sind seine Stärken und Schwächen?
Zu den Stärken der Region Nürnberg-Fürth-Erlangen gehört die Infrastruktur, sowohl in Sachen Verkehr als auch in Sachen Ausbildung. Die Region bietet Universitäten sowie Fachhochschulen und damit viele interessante Fachkräfte für die Internet- und E-Commerce-Branche. Eine Schwäche ist die Wirtschaftspolitik, die man offensiver betreiben könnte. Vieles wirkt sehr provinziell, siehe Augustinerhof oder das Thema Flughafen-Autobahn-Anbindung. Will man für Investoren als Region interessant sein, darf man sich mit solchen Themen nicht zu lange aufhalten.

Wie schätzen Sie die Nürnberger Web-Szene ein?
Es könnte definitiv mehr sein. Gemessen an der Zahl der Unis könnte es deutlich mehr Web-Unternehmen geben. Da müsste man mehr Gas geben. Ich sehe da zu wenig Vision und zu viel Sicherheitsdenken. Man sollte das “region” aus “Metropolregion” streichen und endlich loslegen (lacht).

Finish: Kollegen & Ziele

Sie sind selbst ein erfolgreicher Internet-Entrepreneur. Gibt es dennoch Kollegen in der Web- und Tech-Branche, vor denen Sie den Hut ziehen?
Jedes Internet-Business, das sich länger als zehn Jahre hält, ist ein Erfolg. Dazu gehören Google, Microsoft, Amazon, Dell oder auch SAP. Ich denke an Leute wie Michael Dell [Gründer des weltweit drittgrößten PC-Herstellers Dell Inc. – Anm. d. Verf.] oder Amazon-Gründer Jeff Bezos. Ich ziehe meinen Hut vor allen, die aus einer einfachen “Garagen-Idee” einen nachhaltigen Erfolg machen.

Welche Ziele und Träume haben Sie für die kommenden Jahre?
Ich möchte dazu beitragen, dass die Region Nürnberg-Fürth-Erlangen noch ein paar erfolgreiche Start-ups hervorbringt. Der Nürnberger Raum sollte ein starker Web-Business-Standort werden!

Herr Dr. Raufer, vielen Dank für dieses Gespräch!

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