Start-up-Szene Nürnberg: "Wir wollen Marktführer werden!"

Moderne Web-Welt trifft auf traditionelles Handwerk: Dominic Lindner (24) und Martin Weber (25) wollen diese zwei Welten vereinen. Die beiden Studenten der Wirtschaftsinformatik bieten mit My Möbelstück einen Online-Konfigurator und -Shop für selbstgestaltete Möbel.

Müsli, Parfüm, Romane, T-Shirts, Cookies – Online-Shops für individualisierbare Produkte gibt es viele. Doch die Idee, sich ganze Möbelstücke selbst maßzuschneidern, ist neu. Das Nürnberger Start-up My Möbelstück hat sie Realität werden lassen.

Mehr Details, bitte: Ich traf mich mit Dominic und Martin in ihrem Büro im Bavarian Business Center in der Fürther Straße, einer der Nürnberger Hauptverkehrsadern. 

Dominic, Martin, was ist my-moebelstueck.de, was können User auf eurer Website machen?

Dominic: Wir verkaufen Maßmöbel, die User über unseren 3D-Konfigurator gestalten. Diese Möbelstücke werden ausschließlich von traditionellen Tischler-Meistern hergestellt. Die individualisierten Möbel können Kunden über unseren Online-Shop bestellen und sich nach Hause liefern lassen.

Die My Möbelstück Gründer Dominic Lindner und Martin Weber.
Die My Möbelstück Gründer Dominic Lindner (links) und Martin Weber.

Wie entstand die Idee?

Dominic: Die Idee kam uns nach einem Gastvortrag eines Gründers an der Uni Erlangen-Nürnberg. Wir suchten nach einem Geschäftsmodell, auf dem man aufbauen konnte, bei dem man nicht bei Null beginnen musste. Der Freund meiner Mutter besitzt eine Tischlerei. Von ihm erfuhren wir, wie schwierig es für Tischler ist, ihre Sachen online zu verkaufen.

Wann seid ihr online gegangen?

Dominic: Das erste Mal im August 2013, das zweite Mal dieses Jahr im April. Wir haben immer eine Version am Markt getestet, Feedback eingeholt und dann eine neue Version von My Möbelstück gelauncht.

Wie kamt ihr auf den Namen My Möbelstück?

Dominic: Ich war ein großer Fan von Mymuesli. Als wir gründeten, waren Firmennamen mit dem My-Zusatz sehr angesagt. Wir hießen erst My Möbel, was markenrechtlich und bei Google aber zu hart umkämpft war. Wir wollten unbedingt einen Namen, der aussagt, was wir tun. Deshalb haben wir einfach "stück" angehängt und fertig war My Möbelstück.

Wo ist euer Unternehmen beheimatet?

Dominic: Wir haben sehr schnell gegründet und wählten zunächst meine Heimat Sonneberg in Thüringen als Firmensitz. Wir bekamen dann das Stipendium der Studenteninitiative START Erlangen-Nürnberg und somit ein Büro in Nürnberg. Wir wollen Nürnberg zu unserem offiziellen Firmensitz machen, da uns die Region einfach mehr bietet.

Dominic (links) und Martin in einem von der START-Initiative bereitgestellten Büro.

Wer macht bei euch was im Team?

Martin: Die Verantwortungen haben wir klar aufgeteilt: Dominic macht das Marketing und den Vertrieb, ich kümmere mich um die technische Entwicklung. Die Geschäftsleitung wollen wir als Doppelspitze übernehmen. Mit der Zeit wollen wir das Team erweitern.

Wie habt ihr den Kontakt zu den Tischlern hergestellt? Habt ihr einen festen Stamm oder erweitert ihr ständig den Pool?

Martin: Der erste Kontakt kam wie berichtet über Dominics Familie. So lernten wir zwei weitere Tischler kennen. Für die momentane Auftragslage reichen diese drei Kontakte aus. In den nächsten zwei, drei Jahren sollen es rund 100 Tischler-Kontakte werden.

Wie regelt ihr den Versand? Gibt es einen erhöhten Versicherungsaufwand?

Dominic: Wir liefern mit Hermes. Sobald der Tischler fertig ist, informieren wir den Spediteur, der das Möbelstück abholt. Jede Lieferung ist bis 2000 Euro versichert.

Gibt es Größenbeschränkungen bei der Konfiguration?

Martin: Die maximale Höhe pro Möbelstück beträgt 2,60 Meter, die maximale Breite sechs Meter.

Angenommen ein Kunde ist mit dem angefertigten Stück nicht einverstanden: Wie geht ihr mit Reklamationen um? 

Dominic: Es gibt eine moralische und eine gesetzliche Seite. Gesetzlich ist es wie beim Bäcker: Eine gekaufte Semmel kann ich nicht mehr zurückgeben, weil der Bäcker sie nicht mehr verkaufen kann. Die moralische Seite: Wir suchen grundsätzlich mit dem Kunden eine Lösung, mit der alle Parteien einverstanden sind.

Die Startseite von my-moebelstueck.de
Die Startseite von my-moebelstueck.de

Wie finanziert ihr das Unternehmen?

Martin: Derzeit tun wir das noch aus privaten Mitteln und dem, was wir mit dem Unternehmen einnehmen. Wir suchen Investoren, um stärker wachsen zu können. Auf einigen Events konnten wir bereits Kontakte knüpfen, Gespräche werden bald folgen.

Welche (Online-)Marketing-Disziplinen nutzt ihr, um My Möbelstück bekanntzumachen? Wie gewinnt ihr Website-Besucher?

Dominic: Rund 60 Prozent kommen über die unbezahlte Google-Suche, also via Suchmaschinenoptimierung. Wir nutzen viele Nischen-Keywords, die die großen Konkurrenten wie Ikea, Amazon oder Ebay nicht verwenden. Bei einem Keyword wie "Kleiderschrank" haben wir keine Chance. Deshalb nutzen wir Keywords wie "individueller Kleiderschrank" oder "eigengestalteter Kleiderschrank". So schaffen wir es bei Google auf Seite 1, teilweise sogar auf Platz 1.

Ihr bietet über euren Blog auch Content, richtig?

Dominic: Ja, unsere Kunden lesen viel und informieren sich vor dem Möbelkauf. In unserem Blog berichten wir auch über Trends. Momentan sind bunte Möbel schwer angesagt.

Nutzt ihr weitere Marketing-Disziplinen?

Dominic: Sehr gute Erfahrungen machen wir mit der Social Media Bilder-Plattform Pinterest. Auf Facebook passiert dagegen nicht soviel. Wir wollen auch verstärkt in die Printwerbung gehen. Und wir haben Partnerprogramme mit anderen Websites, die unser Angebot bei sich einbinden. Ab Januar starten wir außerdem mit Suchmaschinenwerbung, also Google Adwords.

My Möbelstück auf Pinterest.
My Möbelstück auf Pinterest.

Stichwort Pinterest: Die Nutzer der Bilder-Plattform sind zu 80 Prozent weiblich. Hat auch My Möbelstück Frauen als primäre Zielgruppe?

Dominic: Ja, unsere Website wirbt mit sehr femininen Werten. Um Einrichtungsfragen kümmern sich eher die Frauen, Männer bauen die Möbel auf. Deshalb wirbt My Möbelstück mit Aspekten wie emotionaler Verbundenheit und Familie.

Wie haben sich eure Nutzerzahlen und Aufträge bislang entwickelt?

Dominic: Derzeit haben wir rund 1000 Besucher monatlich. Das wollen wir verfünffachen. Wir kämpfen hart um das eine Prozent Conversion Rate [Quote, die misst, wie viele Prozent der Website-Besucher zu Käufern werden, also "konvertieren" – Anm. d. Red.]. In der aktuellen Version haben wir zehnmal mehr Möbel-Konfigurationen als vorher, die Zahlen entwickeln sich sehr positiv.

Wie hart umkämpft ist euer Markt?

Dominic: Uns mitgerechnet gibt es fünf Wettbewerber im deutschsprachigen Markt. Zwei fahren die Günstig-Schiene, das sind selbstständige Schreiner. Ein anderer Wettbewerber geht auf Schnelligkeit, das ist unser stärkster Konkurrent. Beim vierten Mitbewerber steht ein Familienmöbelwerk dahinter.

Martin: Es ist ein wachsender Markt mit immer neuen Kundengruppen und neuen Mitbewerbern.

Welche Alleinstellungsmerkmale wollt ihr bieten? 

Martin: Nur wir bieten Möbel vom Tischler an, die anderen fertigen in Fabriken. Ein zweites Alleinstellungsmerkmal ist unser technologischer Vorsprung, den unser hochentwickelter Konfigurator bietet.

Ihr habt einige Auszeichnungen gewonnen. Bitte erzählt uns etwas darüber.

Dominic: Drei sind uns besonders wichtig: Zum einen das START-Stipendium, hier haben wir viel Energie investiert. Dieses Rundumpaket hat es uns ermöglicht, ungestört zu arbeiten. Zweites Highlight ist der anvisierte Prof.-Adalbert-Seifriz-Preis für den Transfer zwischen Handwerk und Wissenschaft. Für diese Auszeichnung ist My Möbelstück derzeit ein heißer Kandidat.

Dominic (links) und Martin können sich über das Stipendium der Initiative START Erlangen-Nürnberg freuen.
Dominic (links) und Martin können sich über das Stipendium der Initiative
START Erlangen-Nürnberg freuen.

Was ist das dritte Highlight?

Dominic: Beim Businessplan-Wettbewerb Thüringen haben wir in der Kategorie "Bewahrer von Tradition durch Innovation" einige Plätze gutgemacht, da wir die Tischler in der Region unterstützen. Wir wurden auch zum Elevator Pitch eingeladen [kurzer, informativer Überblick zu einer Idee für eine Dienstleistung oder ein Produkt – Anm. d. Red.] und durften in Gera vor 200 Gästen präsentieren. 

Lasst uns über euch sprechen, die Menschen hinter My Möbelstück. Bitte erzählt uns etwas über euren bisherigen Lebensweg.

Martin: Ich komme ursprünglich aus dem Großraum Stuttgart und war immer technisch interessiert. An der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg habe ich meinen Bachelor in Wirtschaftsinformatik gemacht. Momentan mache ich meinen Master. Ein Jahr lang arbeitete ich als Werkstudent für die Datev [Nürnberger Softwarehaus und IT-Dienstleister mit rund 6500 Mitarbeitern – Anm. d. Red]. Ich bin auch wissenschaftliche Hilfskraft an der Uni.

Dominic: Ich gründete mit 15 eine Band, wir waren in Thüringen ziemlich erfolgreich. Ich veranstaltete drei Jahre lang des Festival "Rock für Toleranz". Ich wollte schon immer auf der Bühne stehen und Sachen präsentieren. Mir waren immer Botschaften und gute Konzepte wichtig. Mein technologisches Interesse ließ mich Wirtschaftsinformatik hier in Erlangen und Nürnberg studieren. Ich war früher oft mit meinen Eltern in Nürnberg, schließlich wurde es mein Wunschstandort. Ich habe bei Brose, Cortal Consors und der Datev gearbeitet. Momentan bin ich IT-Berater bei der Interface AG und schreibe meine Masterarbeit.

Wie haben Familie, Freunde und Bekannte auf eure Gründung reagiert?

Martin: Der Freundeskreis war begeistert. Meine Eltern dagegen hatten Bedenken, weil sie eine Festanstellung als sicherer empfanden. Aber unterstützt wurde ich immer.

Dominic: Meine Eltern sind getrennt. Meine Mutter und ihr Freund unterstützten mich von Anfang an. Mein Vater meinte nur, ich solle mal machen. Manche im Bekanntenkreis verstanden nicht, dass ein Web-Start-up Zeit braucht und nicht wie ein Friseurladen gleich Geld abwirft. Für Eltern und Großeltern waren "Risikokapital" oder "Investor" böse Begriffe. Andere glauben, wir lägen in ein paar Monaten am Strand, weil wir mit Investoren verhandeln (lacht). Leider ruft das auch viele Neider auf den Plan.

Ihr seid zu zweit. Wie geht ihr mit Teamkonflikten um? 

Martin: Wir haben unsere Kompetenzen klar aufgeteilt und meistens sind wir uns sehr einig. Gibt es Meinungsverschiedenheiten, diskutieren wir die aus. Wir fragen auch Dritte. So kommen wir immer zu einer Entscheidung.

Ihr wollt Nürnberg zur Heimat eures Unternehmens machen. Welche Vorteile bietet die Frankenmetropole?

Martin: Nürnberg ist eine sehr schöne Stadt und es gefällt uns sehr gut hier. In den Jahren haben wir viele Kontakte aufgebaut, auch zu Professoren.

Dominic: Es gibt hier eine sehr gute Gründerszene mit vielen Events, man kann sich mit vielen anderen Start-ups austauschen.

Martin: In einer Stadt wie Berlin ist man als Start-up einer von vielen. Im Großraum Nürnberg wird man als Existenzgründer viel stärker wahrgenommen.

Dominic: Und wir haben die Chance, die Nürnberger Web-Szene mit aufzubauen.

Die 495.000-Einwohner-Stadt Nürnberg.
(Nuremberg Town Hall von joiseyshowaa unter CC BY-SA 2.0)

Hat Nürnberg Nachteile?

Martin: Unsere Tischler-Kontakte befinden sich hauptsächlich in Thüringen.

Dominic: In Thüringen hat das Handwerk einen sehr hohen Stellenwert, die Region lebt davon. Das ist in Nürnberg schwächer ausgeprägt.

Deutschland wird nachgesagt, keine positive Gründermentalität zu haben – im Gegensatz zu den USA. Wie ist eure Einschätzung?

Martin: US-Hochschulen führen ihre Studenten viel stärker an die Start-up-Mentalität heran. Auch die Investorenstruktur ist in Deutschland schwächer ausgeprägt. In diesen Punkten sind uns die USA weit voraus.

Dominic: Deutschland bietet ein gut gemachtes Arbeitnehmer-Nest. Viele denken sich: Warum soll ich mir den Stress einer Existenzgründung antun, wenn ich mich bei Siemens reinsetzen kann? Aber eine positive Start-up-Mentalität setzt sich auch in Deutschland durch: In Nürnberg profitiert der Gründerspirit durch solche Angebote wie das Coworking Space oder das Josephs.

Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Was wollt ihr bis wann mit My Möbelstück erreichen?

Dominic: Wir wollen die momentanen Investorenverhandlungen bis Jahresende – wenn wir mit dem Studium fertig sind – erfolgreich abschließen. Zweites Ziel: Unser 3D-Möbelkonfigurator soll fotorealistisch werden. Drittes Ziel: Wir wollen bald in bezahlte Online-Werbung und in Printwerbung investieren. Viertes Ziel: 2015/2016 wollen wir über My Möbelstück jedes Produkt anbieten können, das auch ein klassischer Tischler anbietet. Fünftes Ziel: 2017 wollen wir Marktführer werden.

Dominic, Martin, vielen Dank für dieses Gespräch. Viel Erfolg für euch und My Möbelstück!


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