"Streetspotr hat heute rund 325.000 User"

Eine App aus Nürnberg erobert die Online-Welt: Mit Streetspotr werden Smartphone-Nutzer zu Qualitätskontrolleuren – und verdienen Geld damit. Eine wachsende Userzahl, interessierte Investoren und ein großes Presse-Echo bescheren den Machern der App eine eindrucksvolle Erfolgskurve. Höchste Zeit für ein Interview!


Der Streetspotr-Schriftzug.


Ich traf mich mit Co-Geschäftsführerin Dorothea Utzt (34) bei strahlendem Sonnenschein und frühsommerlichen Temperaturen im Steetspotr-Headquarter.

Die Büros befinden sich nahe dem Nürnberger Zentrum am Prinzregentenufer: Herrschaftliche Häuser, eine Platanen-Allee samt Bismarck-Denkmal und das satte Grün der benachbarten Wöhrder Wiese sorgen für Wohlfühlatmosphäre inmitten der Großstadt.

Dorothea Utzt, Co-CEO von Streetspotr.
Dorothea Utzt (34) ist Co-Geschäftsführerin von Streetspotr.

Der nahegelegene, heimelige Biergarten entpuppte sich als ideale Location für unser Gespräch:

Dorothea, was ist Streetspotr? Was können User mit eurer App machen und wie profitieren Unternehmen davon?
Streetspotr bedeutet "Straßendetektiv" und vergibt Vor-Ort-Aufträge an Smartphone-Nutzer. Unternehmen können von den Streetspotr-Usern per Smartphone zum Beispiel prüfen lassen, ob ihre Produkte und ihre Werbung im Supermarkt richtig platziert sind – und ob sie mit dem richtigen Preis ausgezeichnet sind. Pro erledigtem Auftrag bekommen die User Geld.

Wie entstand die Idee und wann seid ihr gestartet? 
Mit unserer Agentur, die es schon vor Streetspotr gab, entwickelten wir Apps. Ende 2010 kam BMW auf uns zu und fragte, ob wir eine App entwickeln könnten, die Parkhaus-Daten erfasst – zum Beispiel Preise, Ein- und Ausfahrten oder Öffnungszeiten. Diese Infos wollte BMW für seine Navi-Geräte nutzen und das war der Startschuss für Streetspotr. Wir waren europaweit die Ersten, die solch eine App anboten.


Die Streetspotr-App zeigt mögliche Aufträge.
Ein Blick in die Streetspotr-App: Wo gibt es welchen Job zu erledigen?


Wie stellt ihr sicher, dass die übermittelten Daten der Streetspotr-User brauchbar sind? Wer wollte, könnte ja irgendwelche Daten eingeben, ohne tatsächlich vor Ort gewesen zu sein.

Das können wir zu 100 Prozent kontrollieren, da wir alle Daten persönlich und einzeln gegenchecken. Das kostet sehr viel Zeit, was die Kunden aber auch gerne zahlen. Wir kontrollieren in zwei Schritten: Die Bildgröße, den Aufnahmeort der Bilder und den Radius bei der Annahme prüfen unsere Sicherheitssysteme automatisch – Fotos und Antworten checken wir manuell.

Wer sind eure bekanntesten Auftraggeber und wie konntet ihr sie gewinnen?
Unter anderem Ferrero, Red Bull, Sony, LG und ültje. Seit 2014 arbeiten wir mit einem Vertrieb, was sehr gut funktioniert.


Ein Streetspotr-Job im Detail.
Briefing für die Detektive:
Die App erklärt den Streetspotr-Usern genau, was zu tun ist.

Blicken wir auf die User-Seite: Wie haben sich eure Nutzerzahlen in den ersten Jahren entwickelt?
Wir sind im Dezember 2011 in einer geschlossenen Beta-Phase live gegangen, mit BMW als einzigem Kunden. Die User-Zahl beschränkten wir auf 2500. Im April 2012 öffneten wir Streetspotr für alle Smartphone-User und verschickten zum Start einige Pressemeldungen. Prompt kontaktierte mich eine Redakteurin von Spiegel Online.

Ein Traum für jeden PR-Profi!
Definitiv. Dank des Berichts auf spiegel.de explodierten unsere Nutzerzahlen. Immer mehr Medien interessierten sich für uns, in der Spitze hatten wir 40.000 neue Registrierungen innerhalb von 24 Stunden.

Wie viele Streetspotr-User gibt es momentan? 
Rund 325.000 sind registriert, rund 70 Prozent davon sind aktiv.


Streetspotr setzt auf Gamification.
Gamification-Faktor: Streetspotr nutzt gekonnt den Spieltrieb.

Wie viel können Nutzer durchschnittlich monatlich mit Streetspotr verdienen?
Ein User hatte sich Anfang März registriert und verdiente bis Ende April 1500 Euro. Durchschnittlich ist es aber deutlich weniger, ungefähr zehn bis 20 Euro pro Monat sind realistisch.

Wer sind eure User?
In Deutschland hauptsächlich Männer, sie machen 65 Prozent der Streetspotr-User aus. Der Schnitzeljagd-Faktor von Streetspotr spricht vor allem die Jungs an. Die Mädels holen aber auf. Gesamt betrachtet sind es viel junge Menschen: In Deutschland sind 70 Prozent unserer User zwischen 18 und 29 Jahren alt.

Neben den Checks vor Ort hilft Streetspotr auch, Marktforschung zu betreiben. Kannst du ein Beispiel nennen?
Für einen Hersteller von Rasierzubehör hatten wir zunächst einen Streetspotr-Check in Geschäften durchgeführt. Daran gekoppelt war eine Umfrage unter den teilnehmenden männlichen Streetspotr-Usern zu ihren Rasiergewohnheiten. So konnten wir dem Auftraggeber zusätzlich wertvolle Marktforschungsdaten liefern.

Das Streetspotr-Gründerteam.
Das Streetspotr-Gründerteam (v.l.):
Dorothea Utzt, Werner Hoier und Holger Frank.

Dorothea, lass uns an dieser Stelle einen Blick auf euren Wettbewerb werfen: Wie hart umkämpft ist euer Markt mittlerweile?
Die Konkurrenz kam ziemlich schnell (lacht). Vor allem, nachdem wir sehr stark in der Presse vertreten waren. Dieser Wettbewerb hilft uns allerdings: Es handelte sich anfangs um ein komplett neues Marktsegment, entsprechend schwer war es, Kunden zu überzeugen. Die Konkurrenz belebt nun das Geschäft und zeigt Interessenten, dass es einen funktionierenden Markt gibt. Gleichzeitig motiviert uns der Wettbewerb, besser zu werden.

Ihr müsst sowohl User erreichen als auch potenzielle Auftraggeber, fahrt also sowohl die B2C- als auch die B2B-Schiene. Wie aufwendig ist das und welche Marketing-Disziplinen nutzt ihr für welche Zielgruppe?
Es ist aufwendig, jedoch hatten und haben wir Vorteile im B2C-Bereich: Für Smartphone-User ist Streetspotr automatisch interessant, da sie Geld damit verdienen können. Auch die vielen Presseberichte haben uns sehr geholfen. Zudem gewinnen wir viele User über Facebook, in Großbritannien auch über Twitter. Im B2B-Bereich sind wir auf Messen gegangen und setzen auf PR. Hier könnten wir aber mehr machen.


Das Streetspotr-Logo.


Als wachsendes Unternehmen braucht ihr Kapital. Welche Rolle spielen Investoren für Streetspotr?
Die ersten Anfragen von Investoren hatten wir bereits 2012. Wir warteten aber bewusst damit, Investoren ins Boot zu holen, da wir als junges Start-up nicht zu viel von unserem Unternehmen abgeben wollten. Wir wollten zunächst mehr Kunden gewinnen und Umsatz machen – einfach testen, ob wir am Markt bestehen können. Wer in Deutschland als junges Start-up Investoren in sein Unternehmen holt, gibt wahnsinnig viel ab – in den USA ist das anders.

Wann wurden Investoren für euch interessant?
Anfang 2013. Damals schrieben wir unseren Businessplan und wir nahmen am Businessplan-Wettbewerb von Netzwerk Nordbayern teil, dem jetzigen >BayStartUP. Schließlich mussten wir uns zwischen zehn Finanzierungs-Angeboten entscheiden und wählten eine Mischung aus Business Angel und KfW. Unser Business Angel – die Sheepworld AG – kommt aus dem Konsumgüterbereich und hat gesehen, dass er Streetspotr für sein eigenes Unternehmen nutzen kann. Die KfW wiederum bietet ein Programm, das eine bereits bestehende Investorenbeziehung prüft und diese gegebenenfalls unterstützt.

[Ein Business Angel ist eine Person, die sich finanziell an Unternehmen beteiligt und mit Know-how und Kontakten unterstützt. Meist handelt es sich um erfahrene Unternehmer oder leitende Angestellte. KfW steht für "Kreditanstalt für Wiederaufbau", sie ist die weltweit größte nationale Förderbank mit Sitz in Frankfurt am Main. – Anm. d. Red.]


Das Nürnberger Streetspotr-Team.
Das Nürnberger Streetspotr-Team.

Ihr habt am Förderprogramm des German Accelerator teilgenommen: Wo wart ihr und was hat es euch gebracht?
Wir waren in San Francisco, in demselben Gebäude, in dem auch Twitter sitzt. Später waren wir auch im Silicon Valley. Es war super zu sehen, wie Start-ups in den USA arbeiten. Für Streetspotr war der German Accelerator ein voller Erfolg. Und ja, die USA sind uns voraus.

Was sind die größten Business-Unterschiede diesseits und jenseits des Atlantiks?
US-Entrepreneure netzwerken viel stärker, sind frei von Neid und geben ihr Wissen und ihre Kontakte gerne weiter. In den USA können sich auch Start-ups mit Großunternehmen vernetzen. Deutschland ist viel restriktiver und verschlossener.

Zum Ende unseres Interviews ein Blick in die Zukunft: Was wollt ihr mit Streetspotr in den nächsten 12, 24 und 36 Monaten erreichen?
In den kommenden zwölf Monaten wollen wir weiter in Europa wachsen: Niederlande, Spanien und Italien sind unsere nächsten Zielmärkte. Außerdem wollen wir die nächste Finanzierungsrunde abschließen. In den nächsten zwei Jahren wollen wir in Märkten wie USA oder Südafrika mit Partnern in der Marktforschung zusammenarbeiten. Und in den nächsten drei Jahren? Auf jeden Fall weiter wachsen und viele Mitarbeiter haben! (lacht)

Dorothea, vielen Dank für dieses Gespräch. Alles Gute und viel Erfolg für euch und Streetspotr!


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Kommentare

Phil hat gesagt…
Sehr lebhaft und unterhaltsam geschrieben! :)

Meiner Meinung nach sollten sich noch mehr Leute mit Microjobbing beschäftigen und es als zusätzliche Einnahmequelle in Betracht ziehen.

Denn es sind weit mehr als 10 - 20 € drin. Diese Zahlen schrecken eher ab. Ich verdiene beispielsweise selbst über 300 € im Monat durch Microjobs (u. a. bei Streetspotr) und bin Vollzeit beschäftigt.

Interessant ist auch der Unterschied des "Geistes" vom Silicon Valley und Deutschlands. Man glaubt es nicht, aber in diesem Punkt sind uns die USA echt voraus. Auch hier sollten wir mehr Wissen miteinander teilen und uns nicht zu arg verschließen!

Mit deinem Interview und Beitrag trägst du dazu bei, dass Microjobbing ein bisschen bekannter wird und der ein oder andere vielleicht sein neues Hobby entdeckt, so soll es sein :)

Mathias Sauermann hat gesagt…
Hi Phil,

vielen Dank für dein positives Feedback. Ist ein spannendes Thema und Streetspotr vor allem eine echte Wirtschaft-4.0-Erfolgsstory aus Nürnberg (von denen wir hier mehr bräuchten).

Viele Grüße
Mathias

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