Digitalisierung: Warum eine falsche Fokussierung fatal ist

Jacques Bughin ist Senior Partner bei der Strategieberatung McKinsey & Company. Der Digitalisierungs-Experte veröffentlichte auf LinkedIn einen spannenden Beitrag unter dem Titel "Are you ignoring the most important digital playing field?". Seine Thesen sollten auch deutsche Unternehmen aufhorchen lassen.

Digitalisierung: Warum eine falsche Fokussierung fatal ist
(Dead end unter CC0 1.0)

Der Autor warnt: Traditionelle Unternehmen, die die Themen "Digitale Wertschöpfungs- & Lieferkette" und "Digitales Ökosystem" vernachlässigen, gefährden ihre Wettbewerbsfähigkeit. Wie man es richtigt macht, zeigen demnach Google, Amazon, Facebook, Airbnb oder Alibaba. Die Giganten der Plattform-Ökonomie hätten zwei Dinge gemeinsam:

➧ 1. Sie alle schufen ein komplettes digitales Ökosystem, bestehend aus Akteuren (Plattformbetreiber, Anbieter, Nachfrager) und Technologien (Online-Auftritte, Geräte, Algorithmen, etc.).

➧ 2. Sie profitieren von Prozessautomatisierungen und den positiven Netzwerkeffekten ihrer Millionen und Milliarden User.

Diese zwei Punkte ermöglichen eine exponentiell wachsende Wertschöpfung. Traditionelle Unternehmen dagegen müssen sich mit einem deutlich langsameren linearen Wachstum begnügen. Bereits jetzt, so Jacques Bughin, hätten rein digitalbasierte Unternehmen knapp 200 solcher Ökosysteme geschaffen – während traditionelle Unternehmen mehrheitlich passiv blieben.

Der falsche Digitalisierungs-Fokus


Worauf sollten Unternehmen ihren Digitalisierungs-Fokus legen?
(Radar unter CC0 1.0)

Bughin kritisiert in seinem Beitrag, dass viele traditionelle Unternehmen die Digitalisierung auf Marketing und Vertrieb reduzierten. Einen Wettbewerbsvorteil böte dies 2017 nicht mehr: Stattdessen sollten Unternehmen von einem produktzentriertem Denken und Handeln zu einem Plattform-Ansatz transformieren.

Wer diesen Schritt ignoriert, müsse mit signifikant sinkenden Umsätzen und Gewinnen rechnen. Die digitale Konzentration auf die Bereiche "Wertschöpfungs-/Lieferkette" und "Ökosystem" sei deshalb essenziell.

➧ Als Beispiel nennt der Autor die Musik-Industrie:

Der physische Tonträger mit festgelegter Songreihenfolge und einer Maximalspielzeit war stets der Hauptumsatztreiber für Plattenfirmen. Dann kam die digitale Disruption: Heute ermöglichen es Musik-Plattformen wie iTunes oder Spotify den Musik-Fans, das klassische Album digital zu "zerlegen" (statt sich die ganze Platte physisch kaufen zu müssen).

Somit brachen physische Tonträger (CD, LP, MC) als Hauptumsatztreiber ein. Auch Musik im Dateiformat samt Abspielgeräten (mp3, iPod) wurde unbedeutender gegenüber plattformbasierten Streamingdiensten wie Spotify.

Infografik: Digital zahlt sich für Musikindustrie aus
Bild-Erläuterung: Der Begriff "Synchronisation" bedeutet hier, Musik in anderen Entertainment-Feldern (Film, TV, Games, etc.) zu platzieren.

Das klassische Marketing der Musik-Industrie wurde ebenfalls disruptiert: Mittlerweile entscheiden digitale Such- und Empfehlungsplattformen über Erfolg und Misserfolg einer (digitalen) Veröffentlichung. Klassische Vertriebswege wie der Plattenladen oder das Musikfernsehen (MTV, Viva) werden unbedeutender.

Plattenfirmen kontrollieren somit nicht länger die Wertschöpfungs-/Lieferkette der Musikindustrie, Einzelhändler sowie klassische Medien nicht länger den Musik-Vertrieb.

Warum schrecken traditionelle Unternehmen vor der Disruption zurück?

Bezogen auf alle Branchen nennt der McKinsey-Mann drei Gründe:

➧ 1. Wer eine digitale Plattform samt Ökosystem startet, muss bereit sein, die eigene Branche und sich selbst zu disruptieren. Viele Unternehmen fürchten, sich selbst zu kannibalisieren und ihre traditionelle Vormachtstellung zu verlieren (auch wenn diese angesichts der fortschreitenden Digitalisierung kaum langlebig sein kann).

➧ 2. IT-Altsysteme erschweren Unternehmen den Schritt in die Plattform-Ökonomie: Digitale Ökosysteme benötigen eine agile, moderne und skalierbare IT-Architektur.

➧ 3. Ein Plattform-Ökosystem macht es notwendig, sich von ichbezogenen Sichtweisen zu lösen: Das Wohlergehen des gesamten Ökosystems (Plattformbetreiber, Anbieter, Nachfrager, Technologie , etc.) steht an erster Stelle. Plattformbetreiber, die nur an sich denken, werden keine exponentielle Wertschöpfung verwirklichen können.

Als Beispiel nennt Jacques Bughin den ehemaligen Handy-Platzhirsch Nokia: Das Unternehmen verleibte sich die Entwickler-Plattform für das Symbian-Betriebssystem ein und reduzierte den Support. Die Folge: Die Ökosystem-Partner vermissten echte Wertschöpfung und wandten sich anderen Plattformen zu.

Fazit: Gibt es einen digitalen Königsweg?

Laut dem Autor können sich Unternehmen erfolgreich digitalisieren, wenn sie
  • eine agile Organisation werden,
  • eine Ökosystem-Sichtweise entwickeln und verinnerlichen
  • und bereit sind, sich selbst und ihre Branche zu disruptieren.
Soweit die spannenden und in meinen Augen griffigen Ausführungen von Jacques Bughin. Es wird deutlich: Digitalisierung braucht Mut. Dass so manches Unternehmen lieber an seinem gewohnten Erfolgsmodell festhält, scheint verständlich – birgt aber die Gefahr, künftig nicht mehr mithalten zu können.

Lasst es mich wissen: Werden digitale Ökosysteme und digitale Wertschöpfungsketten zum unternehmerischen Pflichtprogramm?

Link-Tipp & Quelle:

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Titelbild: Digital Art unter CC0 1.0