User-centered Design: So gelingt euer Web-Auftritt (Teil 1)
Ihr wollt eine neue Website gestalten oder eine App entwerfen? Dann solltet ihr euch so früh wie möglich in eure künftigen Nutzer hineinversetzen. Wie eine nutzerorientierte Gestaltung (User-centered Design, UCD) gelingt, lest ihr hier.
User-centered Design stellt den Nutzer (User) in den Mittelpunkt (Center) des Entwicklungsprozesses (Design). Dieser Prozess ist iterativ (lat. iterativus, "wiederholend"): Ihr durchlauft die Entwicklungsschritte immer wieder von neuem, um das Resultat immer weiter zu verfeinern. UCD ist eine positive Endlosschleife, um sich einem perfekten Ergebnis so weit wie möglich anzunähern. Die vier UCD-Phasen auf einen Blick:
1. Nutzungskontext-Analyse: Welche Merkmale hat der User? In welcher Umgebung nutzt er/sie das Web? Welche Aufgaben will der Nutzer damit lösen?
2. Entwurf & Gestaltung: Die Ergebnisse aus der Nutzungskontext-Analyse definieren, was eure künftige Website oder App leisten müssen.
3. Implementierung (technische Umsetzung): Vor dem Live-Gang eurer Website/App entstehen erste Prototypen und Beta-Versionen, die ihr ausgiebig testet.
4. Evaluation (Bewertung): Nach dem Live-Gang testet und überprüft ihr eure Website/App langfristig. Eine ständige Evaluation behebt und vermeidet Fehler.
Die Nutzungskontext-Analyse will...
➧ typische Web-Usability-Schwachstellen identifizieren,
➧ Wissen darüber sammeln, was der Benutzer weiß, braucht, erwartet und will.
Mögliche Antworten auf folgende Fragen:
➧ Wie nutzen User das Web unter realen Bedingungen?
➧ Gibt es zusätzliche Hilfsmittel, die sie nutzen?
➧ Welche Umwege nehmen Nutzer, wenn sie nicht direkt zum Ziel kommen?
➧ Wo und in welchem Zusammenhang tauchen Probleme bei der Nutzung auf?
➧ Wie beeinflusst die räumliche Umgebung die Web-Nutzung?
➤ 1. Contextual inquiry (kontextuelle Befragung): Sie beobachtet und befragt Nutzer parallel bei ihrer Online-Nutzung.
Stärken der kontextuellen Befragung: Die Methode legt unbewusste und nicht offen formulierbare Aspekte des Nutzers offen. Auch könnt ihr flexibel auf den Nutzer und den Befragungsverlauf eingehen.
Schwächen der kontextuellen Befragung: Die Durchführung ist aufwendig und die Beobachtungssituation kann den User beeinflussen.
➤ 2. Interviews: Sie können sowohl frei explorativ sein ("Wie nutzen Sie das Web?") als auch standardisiert ("Auf einer Skala von 1 bis 5: Wie intensiv nutzen Sie das Web unter der Woche?").
Interviews können face-to-face erfolgen, aber auch mittels Kommunikationstechnologien (z. B. Chat, Skype, Telefon).
Stärken des Interviews: Ihr könnt flexibel auf den Nutzer und den Befragungsverlauf eingehen.
Schwächen des Interviews: Gibt es zu wenige Teilnehmer, können die Stichproben zu gering und damit nicht repräsentativ sein. Weiterhin möglich sind Antwortverzerrungen durch das Phänomen "soziale Erwünschtheit": Sie tritt auf, wenn Befragte Antworten bevorzugen, die ihrer Meinung nach auf soziale Zustimmung stoßen. Ehrliche Antworten werden zurückgehalten, aus Angst vor sozialer Ablehnung. Weiterer Minuspunkt: Teilnehmer können den Fragensteller (absichtlich oder unabsichtlich) beeinflussen.
➤ 3. Fragebogen: Ihr könnt ihn in Papierform oder online nutzen, und dies frei als auch standardisiert.
Stärken des Fragebogens: Es gibt keine Beeinflussung durch andere Personen und die Durchführung ist weniger aufwendig als beim Interview. Standardisierte Fragebögen ("Auf einer Skala von 1 bis 5…") können schnell ausgewertet werden.
Schwächen des Fragebogens: User sind beim Ausfüllen eingeschränkt und das Entwickeln eigener Fragebögen ist sehr aufwendig. Zudem besteht die Gefahr der Antwortverzerrung ("soziale Erwünschtheit", siehe oben). Die Auswertung ist bei freien (nicht-standardisierten) Antwortmöglichkeiten sehr aufwendig.
➤ 4. Fokusgruppe: eine moderierte Gruppendiskussion bzw. Gruppenbefragung. Die Äußerungen der Teilnehmer zum Thema Online-Nutzung motivieren andere Teilnehmer, sich weiter zu äußern.
Stärken der Fokusgruppe: Einzelmeinungen können durch die Gruppenmeinung überprüft werden. Es sind tiefgreifendere Aussagen als bei Einzelbefragungen möglich.
Schwächen der Fokusgruppe: Dominante Teilnehmer können die Gruppenmeinung beeinflussen. Fokusgruppen fordern den Moderator stark und die Auswertung ist aufwendig.
➤ 5. Tagebuchstudie: Ausgewählte User führen ein Tagebuch über ihre Online-Nutzung.
Stärken der Tagebuchstudie: Sie bietet anschauliches und aussagekräftiges Datenmaterial und ist anders als Befragungen keine bloße Momentaufnahme. Auch sind Langzeitstudien möglich.
Schwächen der Tagebuchstudie: Sie ist für die User langwierig und aufwendig.
➤ 6. Personas: Dies sind erfundene, auf empirischen Informationen beruhende Nutzerbeschreibungen (mit fiktiven Namen und Fotos). Ihr versucht, euch so gut wie möglich in eure Zielgruppe hineinzuversetzen, indem ihr einen fiktiven Vertreter eurer Zielgruppe detailliert entwerft.
Stärken von Personas: Sie sind leicht umsetzbar und schnell verständlich, außerdem fördern sie das Einfühlungsvermögen gegenüber den Usern.
Schwächen von Personas: Nutzergruppen können falsch dargestellt werden, auch sind Fehlentscheidungen möglich, wenn Personas nicht den Nutzergruppen entsprechen.
Mit den Erkenntnissen der Nutzungskontext-Analyse geht ihr in den nächsten Schritt: Entwurf & Gestaltung.
Mehr erfahrt ihr im zweiten Teil meiner UCD-Artikelreihe: User-centered Design: So gelingt euer Web-Auftritt (Teil 2)
UCD: Der User im Zentrum der Entwicklung. (Wasser unter CC0 1.0) |
User-centered Design stellt den Nutzer (User) in den Mittelpunkt (Center) des Entwicklungsprozesses (Design). Dieser Prozess ist iterativ (lat. iterativus, "wiederholend"): Ihr durchlauft die Entwicklungsschritte immer wieder von neuem, um das Resultat immer weiter zu verfeinern. UCD ist eine positive Endlosschleife, um sich einem perfekten Ergebnis so weit wie möglich anzunähern. Die vier UCD-Phasen auf einen Blick:
1. Nutzungskontext-Analyse: Welche Merkmale hat der User? In welcher Umgebung nutzt er/sie das Web? Welche Aufgaben will der Nutzer damit lösen?
2. Entwurf & Gestaltung: Die Ergebnisse aus der Nutzungskontext-Analyse definieren, was eure künftige Website oder App leisten müssen.
3. Implementierung (technische Umsetzung): Vor dem Live-Gang eurer Website/App entstehen erste Prototypen und Beta-Versionen, die ihr ausgiebig testet.
4. Evaluation (Bewertung): Nach dem Live-Gang testet und überprüft ihr eure Website/App langfristig. Eine ständige Evaluation behebt und vermeidet Fehler.
Zum Vergrößern bitte in das Bild klicken. |
UCD-Schritt 1: Nutzungskontext-Analyse
Die Leitfragen:- Welche Merkmale hat der User?
- In welcher Umgebung nutzt er/sie das Web?
- Welche Aufgaben will der Nutzer damit lösen?
(Cafe unter CC0 1.0) |
Die Nutzungskontext-Analyse will...
➧ typische Web-Usability-Schwachstellen identifizieren,
➧ Wissen darüber sammeln, was der Benutzer weiß, braucht, erwartet und will.
Mögliche Antworten auf folgende Fragen:
➧ Wie nutzen User das Web unter realen Bedingungen?
➧ Gibt es zusätzliche Hilfsmittel, die sie nutzen?
➧ Welche Umwege nehmen Nutzer, wenn sie nicht direkt zum Ziel kommen?
➧ Wo und in welchem Zusammenhang tauchen Probleme bei der Nutzung auf?
➧ Wie beeinflusst die räumliche Umgebung die Web-Nutzung?
So analysiert ihr den Nutzungskontext eurer Zielgruppe
Die folgenden sechs Instrumente könnt ihr einzeln oder kombiniert anwenden.➤ 1. Contextual inquiry (kontextuelle Befragung): Sie beobachtet und befragt Nutzer parallel bei ihrer Online-Nutzung.
Stärken der kontextuellen Befragung: Die Methode legt unbewusste und nicht offen formulierbare Aspekte des Nutzers offen. Auch könnt ihr flexibel auf den Nutzer und den Befragungsverlauf eingehen.
Schwächen der kontextuellen Befragung: Die Durchführung ist aufwendig und die Beobachtungssituation kann den User beeinflussen.
➤ 2. Interviews: Sie können sowohl frei explorativ sein ("Wie nutzen Sie das Web?") als auch standardisiert ("Auf einer Skala von 1 bis 5: Wie intensiv nutzen Sie das Web unter der Woche?").
Interviews können face-to-face erfolgen, aber auch mittels Kommunikationstechnologien (z. B. Chat, Skype, Telefon).
Stärken des Interviews: Ihr könnt flexibel auf den Nutzer und den Befragungsverlauf eingehen.
Schwächen des Interviews: Gibt es zu wenige Teilnehmer, können die Stichproben zu gering und damit nicht repräsentativ sein. Weiterhin möglich sind Antwortverzerrungen durch das Phänomen "soziale Erwünschtheit": Sie tritt auf, wenn Befragte Antworten bevorzugen, die ihrer Meinung nach auf soziale Zustimmung stoßen. Ehrliche Antworten werden zurückgehalten, aus Angst vor sozialer Ablehnung. Weiterer Minuspunkt: Teilnehmer können den Fragensteller (absichtlich oder unabsichtlich) beeinflussen.
➤ 3. Fragebogen: Ihr könnt ihn in Papierform oder online nutzen, und dies frei als auch standardisiert.
Stärken des Fragebogens: Es gibt keine Beeinflussung durch andere Personen und die Durchführung ist weniger aufwendig als beim Interview. Standardisierte Fragebögen ("Auf einer Skala von 1 bis 5…") können schnell ausgewertet werden.
Schwächen des Fragebogens: User sind beim Ausfüllen eingeschränkt und das Entwickeln eigener Fragebögen ist sehr aufwendig. Zudem besteht die Gefahr der Antwortverzerrung ("soziale Erwünschtheit", siehe oben). Die Auswertung ist bei freien (nicht-standardisierten) Antwortmöglichkeiten sehr aufwendig.
➤ 4. Fokusgruppe: eine moderierte Gruppendiskussion bzw. Gruppenbefragung. Die Äußerungen der Teilnehmer zum Thema Online-Nutzung motivieren andere Teilnehmer, sich weiter zu äußern.
Stärken der Fokusgruppe: Einzelmeinungen können durch die Gruppenmeinung überprüft werden. Es sind tiefgreifendere Aussagen als bei Einzelbefragungen möglich.
Schwächen der Fokusgruppe: Dominante Teilnehmer können die Gruppenmeinung beeinflussen. Fokusgruppen fordern den Moderator stark und die Auswertung ist aufwendig.
➤ 5. Tagebuchstudie: Ausgewählte User führen ein Tagebuch über ihre Online-Nutzung.
Stärken der Tagebuchstudie: Sie bietet anschauliches und aussagekräftiges Datenmaterial und ist anders als Befragungen keine bloße Momentaufnahme. Auch sind Langzeitstudien möglich.
Schwächen der Tagebuchstudie: Sie ist für die User langwierig und aufwendig.
➤ 6. Personas: Dies sind erfundene, auf empirischen Informationen beruhende Nutzerbeschreibungen (mit fiktiven Namen und Fotos). Ihr versucht, euch so gut wie möglich in eure Zielgruppe hineinzuversetzen, indem ihr einen fiktiven Vertreter eurer Zielgruppe detailliert entwerft.
Stärken von Personas: Sie sind leicht umsetzbar und schnell verständlich, außerdem fördern sie das Einfühlungsvermögen gegenüber den Usern.
Schwächen von Personas: Nutzergruppen können falsch dargestellt werden, auch sind Fehlentscheidungen möglich, wenn Personas nicht den Nutzergruppen entsprechen.
Das war Schritt 1 des User-centered Designs
Mit den Erkenntnissen der Nutzungskontext-Analyse geht ihr in den nächsten Schritt: Entwurf & Gestaltung.
Mehr erfahrt ihr im zweiten Teil meiner UCD-Artikelreihe: User-centered Design: So gelingt euer Web-Auftritt (Teil 2)
Link-Tipps:
- Breadcrumb-Navigation: So macht sie eure Website benutzerfreundlicher
- Usability & UX: Die Checkliste für benutzerfreundliche Online-Auftritte [Teil 1]
- Usability & UX: Die Checkliste für benutzerfreundliche Online-Auftritte [Teil 2]
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