Digitalisierung: Wie bedrohlich ist Chinas Weltmachtstreben?

Das Reich der Mitte gibt Gas: Dank der "Great Firewall" und staatlicher Unterstützung wachsen chinesische Tech-Unternehmen ungebremst – während das Land bei wichtigen Zukunftstechnologien die globale Führung übernimmt. Was bedeutet das für Europa?


China digitalisiert sich.
(China / Pixabay-Lizenz)

Mit dieser spannenden Frage beschäftigt sich die 2019er Studie "China's digital rise – Challenges for Europe" des Mercator Institute for China Studies (MERICS). Die Berliner Forschungseinrichtung wurde 2013 gegründet und fokussiert die Entwicklung der Volksrepublik. Einige spannende Ergebnisse der Studie auf einen Blick:

Digitalisierung: Chinas Stärken, Ziele & Abhängigkeiten

China ist auf dem Weg zur weltweiten Nr. 1 in den Bereichen
  • Künstliche Intelligenz, 
  • 5G (5. Generation des Mobilfunks, Datenraten bis 10 Gigabit pro Sekunde, bis zu 100-mal schneller als LTE) 
  • und Quantencomputer (Super-Computer, die dank Quantenbits mehr kennen als 0 oder 1 sowie parallel statt linear rechnen können).
Chinesische Tech-Unternehmen wie Huawei, ZTE, Alibaba oder Tencent sind gesetzte Namen in europäischen Telekommunikations-Netzwerken und Rechenzentren. Die "Große Firewall" unterstützt ihr Wachstum entscheidend: Während heimische Unternehmen global agieren dürfen und sollen, werden ausländische Digital-Angebote wie Facebook oder Google in China geblockt.

Mehr noch: Peking ruft chinesische Tech-Firmen ausdrücklich dazu auf, "in die Welt hinauszugehen" und eine "Digitale Seidenstraße" als Teil der "Neuen Seidenstraße" zu verwirklichen.

Die alte Seidenstraße (Hochphase zwischen 115 v. Chr. und dem 13. Jhr.) war ein Handelsweg für Seide, Gold und Luxusgüter. Die Route führte von China durch Zentralasien an das Mittelmeer und das Schwarze Meer. Die "Neue Seidenstraße" ("One Belt, One Road"-Initiative) strebt einen eurasischen Wirtschaftsraum an, von der Ostküste Chinas bis zum Atlantik.

Bei allem Protektionismus bleibt China in wichtigen technologischen Bereichen vom Ausland abhängig: Die Volksrepublik ist der global größte Markt für Halbleiter, muss aber 90 Prozent der Mikrochips importieren oder von ausländischen Firmen in China fertigen lassen.

Big Data is watching you

Die Digital-Strategie der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) verfolgt auch gesellschaftliche Ziele: Ein "Sozialkredit-System" soll datenbasiert die Bürger zu "Aufrichtigkeit im sozialen Verhalten" erziehen (= Systemkonformität im Sinne der Partei).

Wer schlechte Werte erzielt, bekommt keine Zug- oder Flugtickets mehr, muss mit gedrosselter Geschwindigkeit im Web surfen sowie höhere Steuern zahlen. Wer gut abschneidet, bekommt leichter Kredite und Visa.

Die historische Dimension der chinesischen Digitalisierung

Peking lädt seine Tech-Bemühungen propagandistisch auf: Man stilisiert sich als einstige Weltmacht in Sachen Fortschritt, die durch Europas industrielle Revolution "kolonialisiert" wurde. Das "Jahrhundert der Demütigung" endete demnach 1949 mit dem Aufstieg der Kommunistischen Partei. Nun möchte man die alte technologische Weltmachtstellung zurückgewinnen.

Die Autoren der Studie warnen: Je zersplitterter Europa bei der Digitalisierung vorgeht, desto schwächer wird seine Position gegenüber China. Die Experten empfehlen Europa, sich stärker mit Ländern wie den USA, Südkorea oder Japan zu koordinieren, um dem chinesischen Digital-Protektionismus etwas entgegensetzen zu können.

Den stärksten Gegenwind verspürt China aktuell aus den USA, Australien und Neuseeland. Auch Europa diskutiert, ob ein chinesisches Unternehmen der wichtigste Partner im Bereich der 5G-Netze sein sollte.

Chinas Digitalisierung: Kritik, aber auch Bewunderung

Bei allen oben genannten Kritikpunkten: Ich bewundere China für seinen digitalen Willen, seine digitale Geschwindigkeit und seinen digitalen Optimismus. Davon können sich Deutschland und Europa eine dicke Scheibe abschneiden.

Die Tendenzen, sich zu einem totalitären Überwachungsstaat zu entwickeln, stehen freilich auf einem anderen Blatt. Diesen Punkt sehe ich auch als Stolperstein: Die Menschheitsgeschichte hat mehr als einmal gezeigt, dass eine Bevölkerung sich früher oder später gegen fundamentale Bevormundung und Gängelung wehrt. Ich bin überzeugt, dass sich diese Entwicklung auch in China zeigen und die Digitalstrategie Pekings ausbremsen wird.

Lasst es mich wissen: Wie schätzt ihr Chinas Entwicklung ein?

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