Mächtig, unbewusst & digital: So ticken eure Kunden 2019

Die Digitalisierung hat die Rolle der klassischen Zielgruppe grundlegend verändert. Dieser Beitrag nennt euch vier Voraussetzungen, die jedem Marketing-Profi bewusst sein müssen, will er seine Zielgruppen erreichen, überzeugen und binden. Vorhang auf!


Wie ticken Kunden im Jahr 2019?
(Emotionen / Pixabay-Lizenz)

Vorbei die Zeiten, als potenzielle und bestehende Kunden eine anonyme, zu beschallende Masse waren. Mit breitstreuender Einbahnstraßen-Kommunikation und Unterbrecher-Werbung kommt kein Unternehmen mehr weit. Aus Zielgruppen sind längst Dialog-Gruppen auf Augenhöhe geworden – quasi Geschäftspartner.

Um dieser Entwicklung gerecht zu werden, sind vier gedankliche Grundpfeiler entscheidend:

Prämisse #1: Menschen entscheiden mehrheitlich unbewusst…

...und rationalisieren ihre Entscheidungen nachträglich. Diese Tatsache ist zeitlos, also keine neue Erscheinung der Digitalisierungs-Ära. Dazu die Zitate zweier Experten:

John-Dylan Haynes (*1971), deutsch-britischer Hirnforscher:
"Man weiß [...], dass Menschen nicht gut darin sind, zu sagen, warum sie sich auf eine bestimmte Art und Weise entschieden haben. Wir handeln oft intuitiv, ganz oft können wir gar nicht die Gründe angeben, warum wir eine Entscheidung gefällt haben, und selbst wenn wir diese Gründe angeben, sind sie oft falsch, wie sich zeigt." (Quelle)

Gerhard Roth (*1942), deutscher Biologe und Hirnforscher:
"Auf unserer bewussten Ebene können wir maximal drei, [...] Faktoren miteinander verrechnen. Darüber wird eine Entscheidung qualvoll, da wir die Faktoren nicht mehr auf die Reihe kriegen. Es ist beeindruckend, wie begrenzt unser Verstand bei rationalen Entscheidungen ist." (Quelle)

Heißt: Unbewusste Prozesse lenken mehrheitlich unsere Entscheidungen – besonders dann, wenn zu viele Informationen unser Bewusstsein überfordern. Das Unbewusste ist ein Autopilot, der nach Mustern sucht, um die Welt schnell und effizient zu begreifen. Schön veranschaulicht in diesem Kurz-Video (2:17 Min.):


Was bedeutet das für euer Marketing? Eine rein rationale Kommunikation ("Zahlen-Daten-Fakten") reicht nicht aus. Vielmehr muss es euch gelingen, unbewusste Aspekte wie die folgenden in eurer Zielgruppe anzusprechen:
  • Vertrauen
  • Sympathie
  • Nähe
  • Sicherheit
  • Zugehörigkeit
  • Selbstbestätigung
  • Anerkennung
  • Selbstverwirklichung
  • Macht
Nehmt Apple als Beispiel: Glaubt ihr, das iPhone ist so beliebt, weil es technologisch, bezüglich Preis/Leistung oder funktional einem Samsung-Smartphone überlegen ist ("Zahlen-Daten-Fakten")? Ist es mitnichten. Stattdessen ist es Steve Jobs gelungen, die Marke Apple derart mit unbewussten Positiv-Inhalten aufzuladen, dass bis heute Millionen Menschen ihr regelrecht verfallen sind.

Praxistipp: Investiert in euren Markenkern und nutzt Social-Media-Marketing. Denn soziale Netzwerke ermöglichen euch den direkten Dialog mit eurer Zielgruppe auf Augenhöhe – was wiederum auf die oben genannten Punkte einzahlt (wenn richtig betrieben, ein Shitstorm bewirkt freilich das Gegenteil).

Prämisse #2: Die neue Macht des Kunden

Eine kleine Zeitreise: Wir schreiben das Jahr 1994 und ihr wollt euch eine neue Kaffeemaschine kaufen. Erste Anlaufstelle: der örtliche Elektrofachmarkt (Saturn, Media Markt, etc.). Ihr betretet den Laden und seid dem Verkäufer mehr oder weniger ausgeliefert...

...ihr versucht, den Store-Mitarbeiter runterzuhandeln, der aber beteuert, keinen preislichen Spielraum zu haben. Weitere Läden in der Stadt abklappern? Habt ihr nicht so wirklich Lust drauf. Also kauft ihr eines der Modelle im Laden zum vorgegebenen Preis.

Dieselbe Ausgangssituation im Jahr 2019: Vielleicht betretet ihr gar keinen Laden mehr, sondern bestellt die Kaffeemaschine gleich online. Entscheidet ihr euch doch für einen Ladenbesuch, dann seid ihr auf den Verkäufer vorbereitet: Ihr habt online recherchiert, euer Netzwerk befragt und euch für eine spezielle Kaffeemaschine entschieden. Ihr wisst, zu welcher Preisspanne ihr sie im Web bekommen würdet...

...mit dem Smartphone in der Hand tretet ihr dem Elektrofachmarkt-Verkäufer gegenüber – und könnt auftrumpfen: Macht euch der Verkäufer keinen guten Preis, bestellt ihr eben bei der Konkurrenz. Der Ladenmitarbeiter muss sich entscheiden: Entweder, er kommt euch preislich entgegen, oder er verzichtet auf Umsatz. Ihr gewinnt – dank der neuen Macht des Kunden.

Kunden sind heute informierter, wissender und mächtiger als jemals zuvor. Laut dem Statistik-Portal Statista nutzten 2018 rund 25 Millionen Deutsche ab 14 Jahren täglich Suchmaschinen, um sich zu informieren. Wer heute vor einer Kaufentscheidung steht, vergleicht Preise und wählt das für ihn überzeugendste Angebot. Zusätzlich befragen Interessenten ihr Netzwerk: Dank Facebook & Co. holt man schnell viele Meinungen zu einem Produkt oder Service ein.

Prämisse #3: Die Digitalisierung ist im Alltag verankert

Was passiert online weltweit in einer Minute? Für das Jahr 2017 veröffentlichte Statista folgende Zahlen:
  • ca. 30 Millionen WhatsApp-Nachrichten werden verschickt,
  • ca. 240.000 Fotos auf Facebook veröffentlicht,
  • ca. 1,5 Millionen Songs auf Spotify gehört,
  • ca. 160 Millionen E-Mails versendet.
Eine weitere beeindruckende Zahl: 2018 nutzten User (16-64 Jahre) soziale Netzwerke weltweit täglich 138 Minuten – also fast 2,5 Stunden. Digitalisierung ist nichts mehr, was an unser Leben angedockt ist. Es ist Teil unseres Lebens.

Prämisse #4: Ich - Alles - Jederzeit - Überall

Die neue Macht des Kunden hat ihn deutlich anspruchsvoller werden lassen. Ralf T. Kreutzer und Karl-Heinz Land überschreiben dies in ihrem lesenswerten Buch "Digitaler Darwinismus" mit "Ich-Alles-Jederzeit-Überall":

➧ Ich: Wertschätzung als Muss, Kunden erwarten personalisierte und maßgeschneiderte Angebote.
➧ Alles: Kunden wollen eine große Auswahl, hohe Qualität, niedrige Preise und guten Service.
➧ Sofort: Kunden wollen unmittelbaren Kontakt, schnelle Transaktionen und kurze Reaktionszeiten.
➧ Überall: Kunden wollen Angebote unabhängig von Zeit, Raum und Technologien/Kanälen nutzen.

Eure möglichen und eure bestehenden Kunden geben euch nur ein kleines Zeitfenster, um alles richtig zu machen. Enttäuscht oder frustriert ihr sie, sind sie bereit, schnell den Anbieter zu wechseln. Marketer sprechen deshalb mittlerweile gerne von der "Customer Experience" (Kundenerlebnis) und grenzen diese ab zum klassischen Customer-Relationship-Management (Kundenbeziehungs-Management): Es reicht nicht mehr, Kunden zufriedenzustellen – Ziel muss es sein, sie nachhaltig zu begeistern.

Fazit: Modernes Marketing ist permanenter Dialog

Vielleicht sollten wir uns tatsächlich vom Begriff der Zielgruppe verabschieden und künftig von Dialog-Gruppen sprechen. Denn darum geht es im Marketing des Digitalisierungszeitalters: (potenzielle) Kunden als Partner auf Augenhöhe anzusprechen.

Lasst es mich wissen: Was macht für euch modernes Marketing aus?

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