Plattform-Ökonomie: So wälzt sie die Wirtschaft um

Ob Amazon, Google, Facebook, Airbnb, Spotify oder Alibaba: Plattformen beherrschen die Digital-Ökonomie und stellen mehrheitlich die wertvollsten Unternehmen der Welt. Die Plattform-Ökonomie ordnet die Wirtschaft auf drei Arten neu. Hier kommen die Details.


Auswirkungen der Plattform-Ökonomie
(Beben / Pixabay-Lizenz)

Das Referenzwerk "Die Plattform-Revolution" von Geoffrey G. Parker, Marshall W. Van Alstyne und Sangeet Paul Choudary bietet etliche spannende Einblicke in das Wesen der Plattform-Ökonomie.

Schnell begreift man bei der Lektüre, dass Plattformen einiges entscheidend anders tun als traditionelle Unternehmen – und deshalb mitunter so immens erfolgreich sind. Die Autoren heben drei Dimensionen wirtschaftlichen Handelns von Plattformen hervor:
  1. Entkoppeln von Sachanlagen und Wertschöpfung
  2. Re-Intermediation
  3. Markt-Aggregation
Klingt kryptisch? Keine Bange, ist ganz einfach. Vorhang auf:

1. Entkoppeln von Sachanlagen und Wertschöpfung

Viele Unternehmen besitzen unbewegliche Anlagengegenstände, sogenannte Sachanlagen. Hierzu gehören zum Beispiel Grundstücke, Gebäude oder Maschinen.

Diese Sachanlagen sind bei vielen Unternehmen grundlegend, um Wert schöpfen zu können. Wertschöpfung bedeutet, ein Produkt oder eine Dienstleistung bereitzustellen, die eine Personengruppe als begehrenswert empfindet und bereit ist, dafür Geld zu zahlen (oder Daten preiszugeben). Die Wertschöpfung ist bei traditionellen Unternehmen häufig unmittelbar an das Sachanlagen-Eigentum gekoppelt, zum Beispiel in der Produktion (Maschinen) oder in der Hotel-Branche (Zimmer und Betten).

Digitale Plattformen wie Airbnb (Unterkunftsvermittlung) oder Uber (Fahrdienstvermittlung) entkoppeln das Sachanlagen-Eigentum von der Wertschöpfung: Es handelt sich um sogenannte "assetless companies", da sie selbst kaum Sachanlagen besitzen. Airbnb hat keine eigenen Unterkünfte, Uber keine eigenen Fahrzeuge.

Was beide Unternehmen stattdessen tun: Sie schöpfen Wert, indem sie private und vermietungswillige Wohn- bzw. Fahrzeugeigentümer datenbasiert mit Menschen zusammenbringen, die eine temporäre Unterkunft oder Transportmöglichkeit suchen.

Die Wertschöpfung wird an die Plattform-Nutzer ausgelagert, beide Plattformen schöpfen Wert, ohne selbst auf Sachanlagen-Eigentum angewiesen zu sein. Während ein klassischer Hotelier faktisch in neue Sachanlagen investieren muss (= Hotels bauen oder kaufen), nutzt eine Plattform wie Airbnb die bereits vorhandenen Wohnräume: die Zimmer, Wohnungen und Häuser Millionen vermietungswilliger Privatpersonen überall auf der Welt.

Dieser Vorsprung im Wert-Netzwerk ist auch eines von zwei entscheidenden Kriterien, um von einer Disruption sprechen zu können.

2. Re-Intermediation (Wiedereinführen von Vermittler-Instanzen)

Während des ersten Internet-Booms der 1990er Jahre erwarteten Beobachter, dass die neue Technologie Vermittler-Zwischeninstanzen (Intermediäre) überflüssig machen würde. Diese Dis-Intermediation sollte dazu führen, dass Anbieter und Kunden direkt miteinander in Kontakt treten könnten.

Es kam anders: In vielen Branchen führten digitalen Plattformen zu einer Re-Intermediation der Märkte. Player wie Amazon, Airbnb, Google oder Alibaba schieben sich als Vermittler-Instanzen (Intermediäre) zwischen Anbieter und Nachfrager. Und zwar derart dominant, dass es die Debatte um Monopol-Bildungen immer wieder aufflammen lässt.

3. Markt-Aggregation (Vereinigen von Märkten)

Ökonomisch liegt eine Aggregation (lat. aggregatio, "Anhäufung" oder "Vereinigung") vor, wenn mehrere gleichartige Einzelgrößen zu einer Gesamtgröße zusammengefasst werden.

In der Praxis: Digitale Plattformen vereinigen (aggregieren) unorganisierte Märkte. Sie bieten einen zentralisierten Markt für weit verstreute Einzelpersonen und Organisationen.

Beispiel Amazon: Anbieter aus aller Welt und vielen Branchen können auf dieser zentralen Plattform den Nutzern ihre Produkte zum Kauf anbieten.

Plattform-Ökonomie: mächtig, zukunftsträchtig – aber ohne Europa?

Die Erfolgskurven von Unternehmen wie Google, Amazon, Facebook oder Alibaba belegen, wie mächtig das Plattform-Geschäftsmodell im Digital-Zeitalter geworden ist. Problem: Deutschland und Europa spielen bei dieser Entwicklung bislang eine mehr als untergeordnete Rolle. Dazu zwei Schaubilder:

1. Die aktuell weltweit wertvollsten Unternehmen nach Marktkapitalisierung (Aktienkurs multipliziert mit der Anzahl der frei umlaufenden Aktien) sind absolut mehrheitlich Betreiber digitaler Plattformen aus den USA und China:

2. Europa ist in der globalen Plattform-Ökonomie deutlich abgeschlagen:
  • Orange: %-Anteil am Welt-Bruttoinlandsprodukt
  • Rot: %-Anteil an der globalen Plattform-Ökonomie

Die an dieser Stelle bewusst zugespitzte Meinung eures Bloggers dazu: Während wir uns gerne mit übertriebenen Datenschutz-, Reglementierungs- und "Können-wir-den-Vebrennungsmotor-retten"-Debatten ausbremsen, geben die USA und China digital Gas.

Der Weltmarkt wird nicht fragen, ob wir behutsam (= langsam) neue und datenbasierte Geschäftsmodelle aufbauen wollen – er wird sich einfach weiterentwickeln und uns in der globalökonomischen Zweitklassigkeit zurücklassen, wenn wir den Anschluss verpassen.

Also, Europa und Deutschland: Wann gedenkt ihr, digital Gas zu geben?

Lasst es mich wissen: Wie schätzt ihr die Plattform-Ökonomie ein?

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