Die Tiefen des Unbewussten: Wie entscheiden Kunden wirklich? (Teil 1)

Es gilt als wissenschaftlich bewiesen, dass wir uns mehrheitlich unbewusst für oder gegen etwas entscheiden – und nachträglich versuchen, diese Entscheidung vernünftig zu begründen. Unsere tatsächlichen Motive kennen wir aber oft selbst nicht. Was passiert da in der Tiefe unserer Psyche und was bedeutet das für das Marketing?


Das Unbewusste gleicht dem, was unter der Wasseroberfläche passiert.
(Boot / Pixabay-Lizenz)

Ein Psychologe und Hirnforscher, der diese verborgenen Strukturen aufdecken und in einen Marketing-Kontext setzen will, ist Hans-Georg Häusel (*1951 in Hechingen, Baden-Württemberg). Herausgekommen ist sein "Limbic-Ansatz". 

Bevor wir uns dieses Modell näher anschauen, tauchen wir erst einmal ab in die menschliche Psyche.

Warum das Unbewusste so mächtig ist

Laut Hirnforschern fallen mindestens 70-80 Prozent unserer Entscheidungen unbewusst. Erleben wir uns dabei als bewusste Entscheider, so sei dies eine "Benutzer-Illusion". 

Schön beschreibt das ein Zitat des US-Philosophen Daniel Dennett (*1942 in Boston):

"Das Bewusstsein des Menschen gleicht einem Regierungssprecher, der Entscheidungen zu verkünden hat, bei deren Entstehung er nicht dabei war und deren wahren Gründe er auch nicht kennt."

Lange betrachteten Wissenschaftler das Unbewusste als "dummes System". Gerne sprach man vom "Homo oeconomicus", dem rein vernunftgesteuerten Menschen. Alles Einschätzungen, die man getrost in die Tonne kloppen kann...

...Häusel und andere Hirnforscher sehen stattdessen im Unbewussten ein sehr effizientes Bewertungs- und Steuersystem. Dieses "Leitsystem" führt uns durchs Leben, ohne dass wir bewusst etwas davon mitbekommen. Es verknüpft unsere gespeicherten Erfahrungen mit der jeweils aktuellen Situation.

Sekündlich prasseln zirka 11 Millionen Sinneseindrücke auf uns ein, von denen wir aber nur 20-40 bewusst verarbeiten können. 

Unser Organismus muss viele Aufgaben gleichzeitig erfüllen:

  • Umweltsignale auf ihre Wichtigkeit prüfen,
  • uns handlungsfähig machen,
  • Erfahrungen vergangener Ereignisse abrufen
  • und uns handeln lassen.

Das überfordert unser Bewusstsein massiv: Laut Häusel macht unser Gehirn zwei Prozent unseres Körpergewichtes aus, verbraucht aber 20 Prozent unserer Körperenergie, wenn es bewusst arbeitet. 

Bedeutet für unser Oberstübchen: Nur denken, wenn unbedingt notwendig (explizite Prozesse) – besser energiesparsame, unbewusste, automatisierte Programme nutzen (implizite Prozesse).

Wichtig dabei laut Häusel:

➤ Die expliziten und die impliziten Prozesse in unserem Gehirn interagieren zwar, laufen aber häufig getrennt ab. 

➤ Unsere explizite Verarbeitung hat kaum Einblick in unser implizites System. 

➤ Aber: Bezogen auf Gefühl/Verstand ist es kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Beide Systeme sind emotional und rational zugleich.

Warum haben wir Emotionen?

Laut Häusel dienen Emotionen dem Überleben und der Fortpflanzung:

1. "Emotion as motivation": Emotionen treiben uns innerlich an, damit wir überleben und uns fortpflanzen.

2. "Emotion as action": Emotionen lassen uns in kritischen Situationen schnell und unbewusst überlebenssichernd handeln.

3. "Emotion as evaluation": Emotionen lassen uns wissen, was in unserer Umwelt für unser (Über-)Leben wichtig und wertvoll ist.

4. "Emotion as regulation": Emotionen zeigen uns bei Handlungen, ob diese unseren Zielen dienen.

5. "Emotion as preparation": Bei Gefahr kämpfen oder zu flüchten? Emotionen bereiten uns körperlich auf eine der beiden Optionen vor.

6. "Emotion as social communication and synchronisation": Wir sind soziale Wesen und brauchen die Gemeinschaft, um zu überleben. Emotionen helfen uns, die Absichten anderer zu erkennen und mit unseren abzugleichen.

Welche Emotions-Systeme gibt es in unserem Gehirn?

Diese spannende Frage schauen wir uns im zweiten Teil von "Die Tiefen des Unbewussten: Wie entscheiden Kunden wirklich?" an.

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