Made in Germany 2030: Wie kann sich die deutsche Wirtschaft erneuern?

"Deutschland 2030: Kreative Erneuerung": Unter diesem Titel untersuchten die Consultants von McKinsey, welche wirtschaftlichen Weichen Deutschland jetzt stellen muss. Die wichtigsten Erkenntnisse auf einen Blick.


Made in Germany 2030: Wie kann sich die deutsche Wirtschaft erneuern?
(Starten / Pixabay-Lizenz)

Die Studie betont: Deutschlands soziale Marktwirtschaft garantiert seit Jahrzehnten Wohlstand und Sicherheit.

Aber: Die dafür verantwortlichen Erfolgsfaktoren werden immer unbedeutender – unter anderem, weil sich die Wirtschaft massiv und schnell wandelt, die Altersstruktur sich gravierend verändert und das Thema Nachhaltigkeit dominant wird.

➤ Der Industrie-Sektor (bislang ein wesentlicher Erfolgsfaktor Deutschlands) ist kaum noch gewachsen: 0,8 % CAGR zwischen 2010 und 2020. CAGR steht für eine jährliche Wachstumsrate (engl. Compound Annual Growth Rate). Sie betrachtet unter anderem Investitionen, Marktentwicklungen und Umsätze betriebs- und volkswirtschaftlich.

➤ Unter die weltweit 100 wertvollsten Unternehmen (gemessen an der Marktkapitalisierung) hat es bislang nur ein einziges deutsches Unternehmen geschafft: SAP.

➤ Für deutsche Unternehmen gilt: Es reicht nicht mehr aus, das bestehende Podukt-Portfolio schrittweise zu verbessern. Die Consultants nennen einige Handlungsfelder, auf die sich die deutsche Wirtschaft konzentrieren muss. Fünf davon schauen wir uns an:

Handlungsfeld 1: Deutsche Spitzenunternehmen – Transformation in wachstumsstarke Felder 

Handlungsfeld 2: Mittelstand – vom Produkt-Spezialisten zum Ökosystem-Spieler

Handlungsfeld 3: Unternehmens-Gründungen

Handlungsfeld 4: Investitionen in Technologie-Führerschaft

Handlungsfeld 5: Zukunft der Arbeit – Wandel von 10,5 Mio. Jobs

1: Deutsche Spitzenunternehmen – Transformation in wachstumsstarke Felder 

Die Studie betont, wie wirtschaftliche Strukturen sich verändern: weg von Industrie- und hin zu Dienstleistungs-Tätigkeiten. Disruptive Technologien würden immer bedeutender, während sich die Wirtschaftswelt stetig digitalisiere und dabei immer stärker von der Plattform-Ökonomie geprägt werde.

Die Consultants warnen: Wollen deutsche Unternehmen auch künftig global führend sein, reiche es nicht, in ergänzenden Geschäftsfeldern aktiv zu werden. Stattdessen sollten Entscheider/-innen branchenübergreifend denken und handeln. Am Beispiel der Automobil-Industrie: Nachhaltigkeit als Treiber sowie Elektro-Antriebe und Software als neues Mobilitäts-Herz.
 

2: Mittelstand – vom Produkt-Spezialisten zum Ökosystem-Spieler

Der deutsche Mittelstand glänzt laut McKinsey mit hoch spezialisierten Hardware-Produkten. Jetzt jedoch müssten die reinen Hardware-Produzenten zusätzlich Software entwickeln und die neuen Produkte in das Internet der Dinge integrieren, um auch künftig global wettbewerbsfähig zu bleiben. 

Nur vier Prozent der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) Deutschlands sind laut der Studie mit Software und Dienstleistungen international führend.

Im Mittelstand ist die Digitalisierung das drängendste Thema: In der Pandemie bremsten die meisten kleineren Unternehmen ihre Digital-Investitionen, während die Top-Unternehmen ihre beschleunigten. Im gesamten Mittelstand gehe die Innovatoren-Quote (= Unternehmen, die binnen drei Jahren mindestens eine Innovation hervorbrachten) seit 2002 um jährlich fünf Prozent zurück. Zudem würden viele Mittelständler immer weniger profitabel wirtschaften (= sie erzielen gemessen am Umsatz immer weniger nachhaltige Gewinne).

Der Grund hierfür laut McKinsey: Industrielle Mittelständler konzentrieren sich auf Hardware und innovieren schrittweise. Damit folgten sie einer klassischen industriellen Kostenkurve. Traditionelle Hardware als alleiniges Angebot gerate dabei unter Margendruck (= steigende Kosten und sinkende Preise führen dazu, dass der prozentuale Anteil des Gewinns am Umsatz schrumpft). 

Zudem kommen stetig neue Wettbewerber: Zum einen große Industrieunternehmen, zum anderen branchenfremde Konkurrenten (häufig Tech-Unternehmen). Das Stichwort lautet "asymmetrischer Wettbewerb". 

McKinsey rät Mittelständlern: Um in neue, margenstärkere Themenfelder vorzudringen, müssen sich Geschäftsmodelle, Produkte und Dienstleistungen wandeln. Digitalisierung darf sich nicht auf Prozesse beschränken, sondern müsse unternehmensstrategisch betrachtet werden.

Was laut der Studie den Mittelstand vom Change abhält: 

➤ Die meisten deutschen mittelständischen Weltmarktführer entstanden vor 1950. 70 Prozent aller KMU-Inhaber/-innen sind heute mindestens 50 Jahre alt. Viele von ihnen vermeiden mutige Schritte auf unbekanntes Terrain. 

➤ Vielen mittelständischen Entscheidern dürfte bewusst sein, dass fundamentale Umwälzungen im Unternehmen aufwendig, riskant und teuer sind.

➤ In vielen mittelständischen Unternehmen fehlen strategisches, digitales und technologisches Know-how, um erfolgreich zu transformieren. 

3: Unternehmens-Gründungen

Warum gründen Deutsche so selten ein Unternehmen? Eine McKinsey-Befragung ergab, dass das Eigenkapital fehle und der bürokratische Aufwand zu hoch sei.

Nur fünf Prozent der erwachsenen deutschen Bevölkerung machen sich beruflich selbständig (in den USA sind es 14 Prozent). In der Praxis zeigt sich: Die Zahl US-amerikanischer Tech-Unternehmen mit einer Unternehmens-Bewertung von mehr als einer Milliarde US-Dollar übersteigt die der deutschen um das 4,5-Fache (je eine Million Einwohner). 

4: Investitionen in Technologie-Führerschaft

Die Studie nennt zehn Technologien und Trends, welche die deutsche Wirtschaft in den kommenden Jahrzehnten maßgeblich prägen werden:

  1. Automatisierung
  2. Zukunft der Konnektivität (Mobilfunk-Standard 5G)
  3. Dezentrale Infrastruktur (Verarbeitung der in Unternehmen generierten Daten)
  4. Next-Generation-Computing (Quanten-Computer)
  5. Angewandte KI (Künstliche Intelligenz)
  6. Software 2.0 (sich selbst programmierende Software und selbständig ablaufende Daten-Analyse)
  7. Sichere System-Architektur (Blockchain-Technologie)
  8. Bio-Revolution (kostengünstiges Sequenzieren des menschlichen Genoms)
  9. Materialien 2.0 (Patent-Entwicklungen)
  10. Nachhaltige Energie (erneuerbare Energiequellen)

Stärken zeigt Deutschland in folgenden Bereichen:

  • Forschung zu Automatisierung
  • Nachhaltige Energie
  • Materialien 2.0 (Patente)
  • Bio-Revolution (sinkende Kosten, um das menschliche Genom zu sequenzieren)

Schwächen zeigt Deutschland in diesen Bereichen:

  • Angewandte Künstlicher Intelligenz (KI) 
  • Next-Generation-Computing (Quanten-Computer)


5: Zukunft der Arbeit (10,5 Mio. Jobs im Wandel)

Bis 2030 – so McKinsey – werden rund vier Millionen deutsche Beschäftigte in andere Jobs wechseln müssen. Zusätzlich müssen über 6,5 Millionen Angestellte umfangreiche neue Fähigkeiten aufbauen, um die fortschreitende Digitalisierung umzusetzen. 

Hinzu kommt der demografische Wandel: Die Altersstruktur verändert sich, sodass es bis 2030 fünf Prozent weniger Arbeitnehmer/-innen geben wird, dafür immer mehr über 65-jährige Bürger/-innen (von heute 22 auf dann 26 Prozent).

Deutschlands wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit: Die Uhr tickt 

Soweit einige spannende Ergebnisse der McKinsey-Studie. Runtergebrochen empfehlen die Consultants drei Punkte:

1. Der Mittelstand muss seine Geschäftsmodelle neu erfinden – digital und vernetzt.

2. Unternehmensgründer/-innen können den Digitalisierungsschub nutzen, um neue Ideen umzusetzen – und sollten dafür statt belächelt einfach gefeiert werden 

3. Wirtschaft und Staat müssen jetzt massiv in Schlüsseltechnologien investieren. 

Die Studie bemüht einen optimistischen Ton, der immer wieder die Erfolge der deutschen Wirtschaft unterstreicht. Das ist höflich, degradiert den Weckruf aber zu einem zaghaften Flüstern.

Die Fakten dieser und vieler anderer Untersuchungen sprechen eine deutliche Sprache: Will der Standort Deutschland globalwirtschaftlich auch zukünftig in der Champions-League mitspielen, muss er jetzt richtig ranklotzen.

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