Grafik & Text: Respektiert ihr die Arbeit eurer Kreativ-Kollegen?

Ob Webseiten-Texte, Pressemeldungen, Flyer oder Unternehmens-Präsentationen in Powerpoint: Wer als Texter oder Grafiker arbeitet, erlebt es immer wieder, dass Laien meinen, es besser zu wissen. Falsch gedacht: Grafik und Text sind professionelle Handwerke – keine Bauchgefühl-Hobbys. Ein Plädoyer für mehr Respekt und Rücksichtnahme gegenüber Kreativ-Kollegen:innen.

(Gespräch / Pixabay-Lizenz)

Es war im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts: Ich war frischgebackener Online-Redakteur bei einem kleinen Vergleichsportal in Süddeutschland. Mit meinem Journalistik-Studium im Rücken war ich textlich-handwerklich fit. Leider geriet ich an eine Vorgesetzte, die ihren Frust über das schlechte Betriebsklima an etwas ausließ, das mit diesem nichts zu tun hatte: meinen Textentwürfen. 

Die Gute hatte keinen Texter-Background. Das hielt sie jedoch nicht davon ab, meine verfassten Beiträge via Word-Änderungsverlauf mit einem schreienden Korrektur-Rot quasi totzuschmieren.

Das, was mich als non-verbales Feedback erreichte, sah mehrfach so aus:

Wie fühlte es sich an, einen Textentwurf so zurückzubekommen, den man mit Herzblut, Handwerk und hohem Qualitätsanspruch verfasst hatte? Richtig: bescheiden! Ungute Erinnerungen an unfähige Lehrer zu Schulzeiten wurden wach: "Setzen, sechs".

Kreativ-Entwürfe: Feedback immer – aber im Gespräch und auf Augenhöhe

Springen wir in die Gegenwart (auch wenn das Thema zeitlos ist): Es geht nicht darum, jeden Text- oder Grafikentwurf kommentarlos durchzuwinken. Aber bei Änderungswünschen solltet ihr immer das Gespräch mit euren Kreativ-Kollegen:innen suchen – und vor allem deren Argumente anhören.

Nochmal: Grafik & Text sind Handwerke, sie folgen empirisch überprüften Erkenntnissen. Eure Kreativ-Kollegen:innen haben dieses Handwerk erlernt. Sie wissen, was sie tun.  

➤ In der Grafik bezieht sich dies auf Aspekte wie Ästhetik, Wahrnehmungspsychologie, Farbenlehre und natürlich das Corporate Design. Mit Sätzen wie "Können wir das nicht schicker machen?" frustriert ihr einen Grafiker im Handumdrehen.

➤ Schreiberisches Handwerk folgt Regeln, die sicherstellen, dass ein Text lesefreundlich, verständlich, bildhaft und aktivierend ist. Sätze wie "Wir sind Ihr innovativer Top-Problemlöser, wahren dabei die Tradition und öffnen uns der Zukunft" sind was? Antwort: leer, nichtssagend, substanzlos, beliebig austauschbar. Und Welten entfernt von dem, was einen potenziellen Kunden tatsächlich interessiert oder gar aktiviert.

Grafik- und Text-Entwürfe: Redet miteinander

Sucht das direkte Gespräch, wenn es um Feedback zu Kreativ-Arbeiten geht. Ohne Gespräch ein totgeschmiertes Pamphlet wie das obige einem Texter-Kollegen zu schicken, tut diesem weh. Die Folge: sinkende Motivation, Frustration, innere Kündigung (das oben genannte süddeutsche Unternehmen gibt es übrigens seit vielen Jahren nicht mehr).

Und noch ein Wort zum Thema Korrekturschleifen: Legt von vornherein fest, wie viele es sein sollen. Wenn ein Entwurf bereits abgesegnet war, dann aber nochmal fundamental geändert werden soll, wird’s schnell nervig. Japanische Prozessoptimierer nennen so etwas "Muda" – die Abwesenheit von Nutzen.

Grafiker und Texter haben es schwerer als Coder: Bei letzteren können nur wenige Personen im Unternehmen mitreden. Bei Grafik und Text kommen aber regelmäßig aus allen Abteilungen Sätze wie "Also, ich würde das ja so oder so machen/schreiben/designen". 

Am Ende gibt es im Unternehmen drölfzig verschiedene "kreative Bauchgefühle", die ausnahmslos NICHT repräsentativ für das Empfinden der Zielgruppe sind. Für die jedoch entstehen Grafik und Text (den durchgekauten Spruch von Köder, Fisch und Angler lasse ich hier mal weg, auch wenn er inhaltlich nach wie vor voll ins Schwarze trifft). 

Deshalb: Vertraut euren Grafik- und Text-Kollegen:innen. Und: Der Ton macht die Musik. Das gilt auch, wenn es um Feedback zu Kreativ-Leistungen geht. Schlagt also bitte einen rücksichtsvollen an. 

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