Plattform-Ökonomie 2022: Wo steht die B2B-Branche?

Die Managementberater des französischen Consulting-Riesen Capgemini untersuchten mit der Elite-Universität MIT (Massachusetts Institute of Technology) den Status digitaler B2B-Plattformen. Wo bleiben die Googles, Facebooks und Airbnbs des Business-to-Business-Sektors?

Der Titel der 2022er-Capgemini-Studie lautet "B2B-Platforms – Paving the way to success". Den Link findet ihr am Ende des Beitrages.

Plattform-Ökonomie: eine Definition

Ob Google, Facebook, Amazon, Airbnb oder Spotify: Digitale Plattformen bringen auf einem virtuellen Marktplatz datenbasiert Anbieter und Nachfrager zusammen. 

Wenn erfolgreich, wirken auf diesen Plattformen wechselseitig-indirekte Netzwerkeffekte: Anbieter- und Nachfrager-Seite schaukeln sich dann zahlenmäßig gegenseitig hoch.

Beispiel Amazon:

➤ Amazon ist für Verkäufer umso interessanter, je mehr Käufer dort unterwegs sind.

➤ Gleichzeitig wird Amazon für Käufer umso interessanter, je mehr Verkäufer dort mit ihrem Angebot vertreten sind. 

➤ Konsequenz: Je mehr Anbieter, desto mehr Nachfrager. Und je mehr Nachfrager, desto mehr Anbieter.

Im besten Fall führt dies zu einem exponentiellen (= in kurzer Zeit stark ansteigenden) Wachstum, zu dem klassische Geschäftsmodelle nicht fähig sind. Letztere können nur linear wachen, also gleichmäßig über einen längeren Zeitraum.

Plattform-Ökonomie im B2B-Sektor

Was im B2C-Segment funktioniert, sollte auch in der B2B-Welt klappen. Doch tatsächlich haben es B2B-Plattformen plattformökonomisch schwerer, wie die Capgemini-Analyse zeigt: 

➤ Erste erfolgreiche B2B-Plattformen gewinnen Marktanteile, die Entwicklung steht aber immer noch am Anfang. 

➤ Vielen B2B-Unternehmen fällt es schwer, ein Plattform-Geschäftsmodell aufzubauen.

➤ Sie fragen sich: Was soll die Schlüsselinteraktion ("core interaction") der Plattform sein, um Kundenbedarfe bedienen zu können? Und was sind die dafür notwendigen technischen Anforderungen?

➤ Die Erfolgsmodelle und Logiken der B2C-Plattformen lassen sich nicht 1:1 auf die B2B-Welt übertragen. Während B2C-Plattformen dank der oben genannten Netzwerkeffekte ab einem gewissen Punkt von alleine skalieren, fällt dies B2B-Plattformen deutlich schwerer. Dies hängt zusammen mit höheren Hürden wie Vertragsschließungen, Kompatibilitätsfragen und komplexeren Anforderungen an die Plattform-Funktionalitäten.

Wie sind B2B-Plattformen aufgebaut?

Auf B2B-Plattformen tauschen Unternehmen untereinander Produkte, Services oder Daten aus. 

Digitale Plattformen bestehen aus einer Eingabeschicht (input layer), dem Plattform-Grundgerüst (welches Daten speichert und anreichert) und einem Frontend (z. B. Apps oder einem Terminal).

Welche Arten von B2B-Plattformen gibt es?

Laut der Capgemini-Analyse ergeben sich vier B2B-Plattform-Kategorien:

  1. Plattformen für intelligente Produkte und Services
  2. IoT-Plattformen (Internet of Things, zu Deutsch Internet der Dinge, onlinefähige und vernetzte Gegenstände) 
  3. Plattformen für Daten-Aggregation und Kollaboration
  4. B2B-Marktplätze

1. Plattformen für intelligente Produkte und Services befähigen Unternehmen, ihre analogen Produkte mit digitalen Funktionen und Services auszubauen. Ziel ist es, Kundenbedarfe innovativ zu bedienen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Ein Beispiel ist die Immobilienmanagement-Plattform BuildingMinds.

Probleme in der Praxis ergeben sich dadurch, dass sich diese Plattformen nur träge einer bestehenden Kunden-Produktlandschaft anpassen können. Weiterhin ist es schwierig, ein passendes Partner-Netzwerk aufzubauen, um mehr Funktionen anbieten zu können. 

2. IoT-Plattformen sollen es Unternehmen ermöglichen, intern oder extern Internet-der-Dinge-Technologien zu nutzen. Bekannte Vertreter sind das Amazon-Angebot AWS IoT sowie Siemens MindSphere.

Herausforderung: Wie können die angebotenen IoT-Technologien in die bestehende IT-Infrastruktur auf Kundenseite integriert werden? Auch sind IoT-Technologien oft ein Investment in die Zukunft, es stellt sich nicht sofort ein Benefit ein.

3. Plattformen für Daten-Aggregation: Ein Beispiel ist die Amazon-Plattform AWS Data Exchange, auf welcher Teilnehmer Drittanbieter-Daten in der Cloud bereitstellen und nutzen können.

4. B2B-Marktplätze: Die Schlüsselinteraktion auf Marktplätzen besteht darin, als Nachfrager viele Anbieter adressieren zu können, ohne viele Anrufe tätigen oder große Meetings abhalten zu müssen. Umgekehrt funktioniert das genauso: Als Zulieferer kann ich "auf Knopfdruck" viele Nachfrager erreichen.

Beim Angebot kann es sich auf B2B-Marktplätzen um digitale Güter (Software, Daten) oder auch Materialien/Produkte handeln.

Beispiele für B2B-Marktplätze sind XOM (Werkstoffindustrie) und CheMondis (Chemiebranche). 

Was beide Plattformen richtig gemacht haben: Sie trennten die Plattform von der jeweiligen Mutterfirma des Plattform-Betreibers (Klöckner im Falle XOM, Lanxess im Falle CheMondis). So können auch Mitbewerber des jeweiligen Mutterunternehmens als Plattform-Teilnehmer gewonnen werden, da eine direkte Konkurrenz-Situation entfällt.

Die 3 Dimensionen erfolgreicher B2B-Plattformen

1. Das Netzwerk: Wie offen ist die Plattform? Gab es bereits Netzwerk-Effekte bzw. soll es diese überhaupt geben? Wie sieht das Geschäftsmodell der Plattform aus?

2. Das Plattform-Betriebsmodell: Erlauben es die vorhandenen Ressourcen (Daten-Strategie, Mitarbeiter, etc.), eine Plattform zu etablieren? Und in welcher Organisationsform soll dies geschehen?

3. Der Markteintritt: Wie soll die Plattform die Kunden erreichen? Welche rechtlichen Rahmenbedingungen müssen geklärt sein? Fürchten sich die Kunden davor, Marktmacht abzugeben? Wie überzeugt man Kunden, Plattform-Teilnehmer zu werden? 

B2B-Plattform-Ökonomie: Europa muss handeln

Losgelöst von der Frage, ob und wenn ja, wann es auch im B2B-Sektor marktbeherrschende Plattformen geben wird: Es ist Europas letzte Chance, in der globalen Plattform-Ökonomie in der Champions League mitzuspielen.

Im B2C-Sektor ist dieser Zug abgefahren: Die Amazons, Alphabets (Google), Microsofts, Meta Platforms (Facebook, Instagram, WhatsApp), Tencents und Alibabas dieser Welt haben sich den Kuchen zwischen Nordamerika und China bereits aufgeteilt.

Und auch im B2B-Sektor schicken sich diese Player an, den globalen Markt zu dominieren. Alles gute Gründe für europäische Unternehmen, in Sachen B2B-Plattform-Ökonomie Gas zu geben.

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