KI-Bot "ChatGPT": Keine Sensation, sondern der nächste logische Schritt

Die Medienresonanz war Anfang 2023 groß: ChatGPT ist ein KI-Chatbot, der menschenähnlich texten und Dialoge führen kann. Warum das keine echte Revolution ist und die Digitalisierung unsere Arbeitswelt ohnehin umkrempeln wird, schildere ich in diesem Beitrag.

Was ist ChatGPT und was kann es?

Das textbasierte Dialogsystem beruht auf künstlicher Intelligenz (KI), genauer gesagt auf maschinellem Lernen (Machine Learning). GPT steht für "Generative Pre-trained Transformer". 

Das US-Unternehmen OpenAI veröffentlichte den ChatGPT-Prototypen im November 2022. Die Gründung des Unternehmens finanzierten 2015 diverse Silicon-Valley-Größen, darunter Tesla-Chef Elon Musk, PayPal-Gründer Peter Thiel und LinkedIn-Mitgründer Reid Hoffman. 

Der Bot trainiert mithilfe bestärkenden Lernens: Der Algorithmus übt in einer Simulationsumgebung nach einem Versuch-und-Irrtum-Verfahren. Anschließend überprüft ein Mensch das Ergebnis: Hat der Algorithmus einen guten Job gemacht, wird er "belohnt". Lag er daneben, wird er "bestraft". Die Folge: Das Programm vermeidet künftig schlechte Handlungen und wiederholt dafür die guten. 

Die Trainingsdaten von ChatGPT sind große Textmengen aus unter anderem folgenden Quellen:

  • Online-Foren
  • Soziale Medien
  • Nachrichtenartikel
  • Bücher
  • gesprochene Sprache

Das System lernt, wie die menschliche Sprache funktioniert und wie man auf Fragen angemessen reagieren kann. Die Qualität der Antworten schwankt laut Augen- und Ohrenzeugen zwischen "brillant" und "atemberaubend dumm". 

Um dem Qualitätsanspruch einer gängigen Hochschul-Hausarbeit gerecht zu werden, scheint es aber zu reichen: Die Informatikerin Katharina Zweig berichtet im Tagesspiegel, dass ChatGPT "deutlich besser schreibt als die Mehrzahl meiner Studierenden in den letzten Jahren." 

Welche menschlichen Jobs könnte ChatGPT überflüssig machen? Antwort: all diejenigen, die mit Texten zu tun haben. Zu diesen Berufsgruppen gehören unter anderem Autoren, Redakteure und Texter.

Diese Schreibkompetenz umfasst auch Programmier-Tätigkeiten. Wird es also bald Code geben, der sich komplett selbst codet?

ChatGPT: Wie groß ist das disruptive Potenzial innerhalb der Tech-Branche?

Natürlich wirkende Gespräche, komplexe Texte, brauchbare Antworten in Sekundenschnelle: Auch die Tech-Branche könnte umgekrempelt werden. Was, wenn wir in Zukunft nicht mehr über Suchmaschinen, sondern dialogbasiert über Chatbots der Sorte ChatGPT auf das Wissen der Welt zugreifen? 

Fest steht: Google ist bereits alarmiert

Die Schwächen von ChatGPT

Experten diskutierten Anfang 2023, ob der Bot wirklich unüberwacht lernen kann – oder nur algorithmisch berechnet, welche Wörter zusammenpassen, also kein echtes Sprachverständnis besitzt.

Ein weiterer Kritikpunkt: ChatGPT habe zwar sehr viel Vorwissen, lerne aber für neue Aufgaben nichts dazu. Es müsse mit dem Wissen auskommen, das es bis Ende 2021 gelernt hat.

Warum ChatGPT keine Sensation ist

Soweit die Basics rund um den aktuellen Hype. Abstrahiert betrachtet ist es in den Augen eures Bloggers völlig unerheblich, ob ChatGPT eine Erfolgsstory wird oder nicht, denn:

Was digitalisiert und automatisiert werden kann, wird auch digitalisiert und automatisiert.

Dieses (durch mich hier leicht ergänzte) Zitat geht ursprünglich zurück auf die ehemalige Hewlett-Packard-Chefin Cara Carleton "Carly" Fiorina … 

… und ich stimme ihr vollumfänglich zu: Software-Programme werden texten, sprechen und coden wie Menschen – und das auch zusammenhängend in Gesprächsform. Sie werden in den kommenden Jahren und Jahrzehnten immer stärker Jobs übernehmen, die bislang von Menschen erledigt wurden. Das alles ist nur eine Frage der Zeit.

Und nein: Betroffen sind nicht nur Jobs mit intellektuell weniger anspruchsvollen Tätigkeiten. Ob Steuerberater, Rechtsberater, Wirtschaftsprüfer, Prozessoptimierer, Coder oder Redakteur: Auch das Feld der Wissensarbeiter wird umgekrempelt werden.

Menschliche Supervisoren wird es bei diesen Tätigkeiten immer geben – aber keine großen Teams bestehend aus menschlichen Arbeitskräften mehr. 

Müssen wir diese Entwicklungen fürchten? Ich sage: nein, im Gegenteil. Wir sollten sie begrüßen und vor allem konstruktiv begleiten. Voraussetzung ist, dass wir die Risiken kontrollieren, von denen ich an dieser Stelle zwei nennen will:

Groß-Risiko 1: Algorithmen können schlechte menschliche Denk- und Verhaltensweisen automatisieren. Dazu gehören Diskriminierungen, Rassismus, Sexismus, Stereotypisierungen, to name but a few. Der Algorithmus kann hinten nur die Denkweise ausspielen, mit der er vorne gefüttert wurde. Film-Tipp meinerseits: die Predictive-Policing-Doku "Pre-Crime" von 2017.

Groß-Risiko 2: Unternehmen sehen das Einsparpotenzial und vergessen dabei ihre Mitarbeiter. Wird auf einer Position eine menschliche Arbeitskraft überflüssig, ist es in meinen Augen die ausdrückliche Pflicht von Arbeitgeber und Politik, rechtzeitig (!) diesen Menschen Weiterbildungen und Umschulungen zu ermöglichen.

Kurzum: Macht braucht Kontrolle. KI auch. 

Den Risiken stehen Groß-Chancen gegenüber: 

➤ Prozesse schneller, sicherer und fehlerfrei ohne Ermüdungserscheinungen ablaufen lassen,

➤ Entscheidungen datenbasiert-objektiviert vorbereiten,

➤ es menschlichen Arbeitskräften ermöglichen, sich auf wertschöpfenden Tätigkeiten zu konzentrieren,

➤ fehlende soziale Interaktion überbrücken, wo es über zu lange Zeiträume eklatant an ihr mangelt (zum Beispiel im Bereich der Altenpflege) 

➤ und vieles mehr.

Wir Menschen nehmen oft irrigerweise an, stets die beste aller Entscheidungen zu treffen. Das tun wir faktisch nicht. KI kann – wenn wir die Risiken minimieren bis ausmerzen – die Stimme der Vernunft sein, die der Mensch zwar gerne für sich beansprucht, tatsächlich aber in den seltensten Fällen über sie verfügt. Euer Blogger nennt das gerne "humanoide Hybris" (und spricht auch sich selbst nicht davon frei).

ChatGPT: Ein weiterer Schritt Richtung digitale Zukunft

Es gibt keinen Fortschritt ohne Risiken. Was für die Entdeckung des Feuers gilt, gilt auch für die Digitalisierung. Und deshalb sehe ich ChatGPT als einen von vielen Meilensteinen auf dem Siegeszug der schwachen künstlichen Intelligenz – unabhängig davon, ob es genau dieses Produkt sein wird, das zur Erfolgsstory wird, oder andere.

Aber fragen wir doch zum Abschluss die Maschine selbst. Ich wollte von ChatGPT wissen, warum manche Menschen Angst vor der Digitalisierung haben (für eine größere Ansicht ins Bild klicken bzw. Smartphone quer halten):

Beispiel-Chat auf ChatGPT

Mit Ausnahme des etwas kryptisch anmutenden letzten Satzes, eine inhaltlich und orthografisch gediegene Antwort. Chapeau, Herr/Frau Bot!

Prophetische Fähigkeiten besitzt OpenGPT dagegen keine: Auf meine Frage, wie denn die Lottozahlen vom nächsten Samstag lauten, antwortet der Bot, wie es ein vernunftbegabter und höflicher Mensch tun würde – auch wenn ich als Antwort durchaus ein "Was für eine bescheuerte Frage ist das denn?" akzeptiert hätte. ;-)

Beispiel-Chat auf ChatGPT

Testet es selbst auf openai.com.

ChatGPT? Find’ ich spannend!

Quellen: 

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