Headless CMS: Ist das die Zukunft des Content-Managements?

Texte, Bilder, Videos, Designs: Über ein Content-Management-System (CMS) pflegt ihr die Inhalte eures Online-Auftritts. Anders als klassische CMS-Lösungen ermöglichen es sogenannte Headless CMS, diese Inhalte zentral in einem einzigen System für mehrere Ausgabe-Kanäle zu bearbeiten (Websites, Apps, Displays, Social Media, Smart Devices, etc.). Das bietet tolle Vorteile – hat aber 2023 noch einige gravierende Nachteile.


KI-erstelltes Website-Symbolbild
Dieses Website-Symbolbild erstellte das KI-Tool "Stable Diffusion".

Headless vs. klassische CMS: Was ist der Unterschied?

Klassische Content-Management-Systeme vereinen zwei Bereiche in sich:

Zum einen das Backend (wörtlich "hinteres Ende", sinngemäß "Unterbau"): Hier pflegt und verwaltet ihr die Inhalte eures Online-Auftritts. Dieser Bereich ist login-geschützt und für eure Website-Besucher unsichtbar. Als Beispiel ein Schnappschuss des Wordpress-Backends (für eine größere Ansicht bitte in das Bild klicken):

Das Backend des CMS Wordpress
Das Wordpress-Backend

Zum anderen das Frontend ("vorderes Ende", auch "Oberbau" oder "Head" genannt): Dies ist der Bereich eures Online-Auftritts, den die User sehen, wenn sie eure Website aufrufen.

Klassische CMS koppeln das Frontend (den "Head") untrennbar an das Backend. Deshalb nennt man sie auch Headful CMS.

Headless CMS dagegen besitzen ein Backend, aber kein Frontend. So ermöglichen sie es, über ein zentrales Backend und angedockte Schnittstellen verschiedene Ausgabe-Kanäle wie Websites, Apps oder Laden-Displays zu bespielen. Klassische CMS dagegen können nur den einen Kanal bespielen, welcher in ihrem Frontend festgelegt ist. 

Ein Beispiel: Wollt ihr den Content für eure Website sowie eure App und obendrein noch für eure Displays im Ladengeschäft bearbeiten, könnt ihr dies über ein Headless CMS zentralisiert tun. Nutzt ihr dagegen klassische Headful-CMS-Lösungen, bräuchte jeder einzelne Kanal sein eigenes CMS und ihr müsstet jede Content-Änderung in verschiedenen Systemen mehrfach vornehmen.

Wie funktioniert ein Headless CMS?

Das Backend eines Headless CMS arbeitet mit formatneutralen Inhalten. Diese werden über Schnittstellen (APIs, Application Programming Interfaces) an die verschiedenen Kanäle (Website, App, Display, etc.) ausgeliefert. Dort werden sie "verbaut" und schließlich als Seite angezeigt. 

Die eingesetzten Vorlagen (Templates) sind frei programmierbar, sodass ihr in einem Headless CMS denselben Content für jeden Ausgabekanal individuell anpassen könnt.

Sind die Begriffe "Headless CMS" und "Decoupled CMS" gleichbedeutend?

Neben dem Begriff "Headless CMS" wird euch der Terminus "Decoupled CMS" ("entkoppeltes CMS") begegnen: Letzteres ist im Kern ebenfalls ein headless-fähiges CMS, jedoch mit dem Unterschied, dass ein Decoupled CMS ein Frontend bietet, welches wahlweise entkoppelt werden kann. 

Zur Veranschaulichung alle drei CMS-Varianten auf einen Blick:

Headful CMS: In ihnen sind Backend und Frontend fest und untrennbar miteinander verbunden.

Headless CMS: Diese besitzen kein Frontend, stattdessen werden Schnittstellen angedockt. Damit können all diejenigen Anwendungen (Website, App, Display, etc.) angebunden werden, die Daten aus dem Headless-CMS beziehen sollen.

Decoupled CMS: Diese besitzen sowohl ein Backend als auch ein Frontend, können letzteres aber bei Bedarf entkoppeln und werden so wahlweise zum Headless CMS.

Im Kern bieten Headless und Decoupled CMS denselben Vorteil gegenüber einem klassischen Headful CMS: Ihr könnt sowohl mit einem Headless als auch mit einem Decoupled CMS verschiedene Content-Ausgabekanäle zentral bespielen und pflegen.

[Um es übersichtlicher zu halten, spreche ich fortan in diesem Beitrag nur von "Headless CMS", was die Decoupled-CMS-Technologie mit einschließt.]

Digitale Transformation: Die Chancen eines Headless CMS

Über das rein operative Content-Management hinaus gedacht, bietet der zentralisierte Ansatz eines Headless CMS auch unternehmensstrategische Chancen:

Ich veranschauliche den Begriff "Digitale Transformation" gerne anhand der Definition der Universität Bamberg, da diese die schlüssigste und knackigste ist, die mir bislang begegnete:

Digitale Transformation ist die wertschöpfende Umwandlung von (1) Prozessen, (2) Dienstleistungen, (3) Produkten und (4) Geschäftsmodellen mithilfe moderner Informations- und Kommunikationstechnologien.

Diese Umwandlung setzt voraus, dass Unternehmen integriert-datengetrieben arbeiten, also die Daten zusammenführen, welche über mehrere Unternehmens-Systeme hinweg verteilt sind. Der Grundgedanke eines Headless CMS unterstützt genau dies:

Je mehr Online-Auftritte ein Unternehmen betreibt und je mehr Gegenstände in unserem Alltag onlinefähig werden, desto mehr digitale Ausgabekanäle für Content wird es geben.

Heißt in unserem CMS-Kontext: Je mehr Daten aus verschiedenen Online-Kanälen (Websites, Apps, Social Media, etc.) und Vor-Ort-Kanälen (z. B. Displays im Ladengeschäft) in einem zentralen CMS gesammelt werden können, desto nahtloser und integrierter können Kundenbedürfnisse und -verhalten datenbasiert erhoben werden.

So gesehen wäre die Investition in ein Headless CMS sehr zukunftsorientiert. Jedoch bringen schlüsselfertige Headless-CMS-Lösungen im Jahr 2023 noch einige gravierende Nachteile mit sich: 

Die Nachteile eines Headless CMS

Die Headless-CMS-Technologie ist jung: Ihre Anfänge werden auf Mitte der 2010er-Jahre datiert. Klassische CMS dagegen gibt es seit Ende der 1990er-Jahre.

Entsprechend stecken Headless CMS teils noch in den Kinderschuhen. Einige Nachteile auf einen Blick:

Benutzerunfreundliches Backend: Wollt ihr Seiten erstellen, das Design ändern, mit einem redaktionellen Workflow arbeiten oder eine Vorschaufunktion nutzen, klappt das mit einem guten klassischen Headful CMS reibungslos. Das Backend eines Headless CMS dagegen kann euch diesbezüglich in eine Usability-Hölle schicken.

Zusätzlicher Coding-Aufwand: Da ein Headless CMS kein Frontend besitzt, muss das, was der User sehen soll, pro Ausgabekanal zusätzlich entwickelt werden. Auch die benötigten Schnittstellen (APIs) müssen entwickelt werden.

Hohe Kosten: Prinzipiell bedeutet ein Headless CMS aufgrund seiner "zerlegten" Technologie erhöhte Kosten bei Implementierung und Wartung.

SEO-Schwächen: Es muss sichergestellt sein, dass Maßnahmen der Suchmaschinen-Optimierung, die ihr direkt auf der Seite vornehmt (= Onpage-Faktoren), in einem Headless CMS auch tatsächlich umsetzbar sind. Was bei klassischen Headful CMS mittlerweile funktionaler SEO-Standard ist, könnte bei jungen Headless-Lösungen fehlen.

Ist ein Headless CMS 2023 sinnvoll?

Um diese Frage beantworten zu können, solltet ihr die folgende 2-Szenarien-Checkliste mit Blick auf die nächsten fünf Jahre prüfen:

➤ Szenario 1: Betreibt ihr auf lange Sicht einzig eine Website und davon abgesehen weder Apps noch andere digitale Kanäle mit Content-Ausgabe? Dann ist ein klassisches Headful CMS 2023 die bessere Wahl.

➤ Szenario 2: Betreibt ihr bereits mehrere digitale Content-Ausgabekanäle (Websites, Apps, Verkauf-Displays, Smart Devices, etc.) bzw. plant dies in absehbarer Zeit? Dann ist ein Headless CMS definitiv interessant für euch.

Habt ihr die Frage, ob ein Headless CMS für euer Unternehmen sinnvoll ist, mit Ja beantwortet, schließt sich die nächste Frage an: 

Welches Headless CMS ist das richtige?

Auch wenn ich mir damit unter jungen Headless-CMS-Anbietern keine Freunde machen werde, lautet meine grundsätzliche Empfehlung dazu:

➤ Nutzt kein Headless CMS, das nicht Open Source ist.

➤ Nutzt keine Headless-CMS-Lösung eines jungen Anbieters.   

Die Gründe für meine Empfehlung sind die gleichen wie bei klassischen Headful CMS: Ich musste es in den vergangenen 16 Jahren als Online-Marketer regelmäßig erleben, dass sich Unternehmen eine CMS-Lösung aufschwatzen ließen, die sie schnurstracks in eine teure wirtschaftliche Sackgasse manövrierten:

  • teure Lizenz-Kosten,
  • mangelhafte Funktionalitäten (vor allem SEO-seitig),
  • teure Extra-Programmierungen,
  • fehlende Schnittstellenfähigkeit, 
  • mangelhafte Integrationsfähigkeit in bestehende IT-Landschaften,
  • IT-Sicherheitsprobleme (eine gehackte Website ist kein Spaß),
  • schlimmstenfalls ein CMS-Anbieter, der pleitegeht (und das Anwender-Unternehmen damit auf einem "Zombie-CMS" hocken bleibt). 

Das Ende vom Lied: teure und aufwendige CMS-Relaunch-Projekte, die hätten vermieden werden können, hätte man von vornherein ein CMS mit mehr Weitblick gewählt.

Open-Source-Lösungen im CMS-Bereich sind seit über 20 Jahren etabliert. Sind sie rein community-getrieben (ohne kommerziellen Anbieter im Hintergrund), fallen prinzipiell keine Lizenz-Kosten an. So sichert ihr euch die größtmögliche Handlungsfreiheit, da der Quellcode nicht abgeriegelt, sondern offen ist (= open source) und das auch bleibt. 

Rund um etablierte Open-Source-CMS-Lösungen haben sich große Communitys gebildet, die das jeweilige System permanent weiterentwickeln und für nahezu jeden Anwendungsfall eine Lösung haben.

Kurzum: Es gibt keinen mir bekannten Grund, warum Unternehmen auf eine kostenpflichtige (proprietäre) CMS-Lösung setzen sollten, die sie von einem Anbieter abhängig macht.

Kommt ein Headless CMS für euch in Frage, empfehle ich euch etablierte Open-Source-CMS, die sich Richtung Headless anpassen lassen. Stand 2023 sind das:

Betreibt ihr einen Online-Shop, seien drei headless-fähige Open-Source-Shoplösungen genannt:  

Meine Empfehlung: Wählt ein Open-Source-CMS, bei dem es sehr wahrscheinlich ist, dass es auch in zehn Jahren noch ...

➤ ... a) in seiner vollumfänglichen Version lizenzfrei ist (keine Unterteilung in eine "kostenlose Open-Source-Light-Version" und eine "kostenpflichtige Premium-Enterprise-Version"),

➤ b) eine große Community und eine gute Dokumentation besitzt, 

➤ c) permanent weiterentwickelt wird.

Fazit: Sind Headless CMS die Zukunft des Content-Managements?

Klassische CMS stammen aus einer Zeit, als Firmen einzig eine Website als digitalen Content-Ausgabekanal hatten. In den letzten Jahren etablierten viele Unternehmen online eine Multichannel-Strategie, während sich in der Offline-Welt das Internet der Dinge stetig weiterentwickelte: Gegenstände, die digitalisiert werden können, werden digitalisiert.

Entsprechend wird es neben Websites und Apps immer mehr digitale Kanäle geben, über die Unternehmen ihren Content bereitstellen können bzw. müssen.

Mit einer headless-fähigen, etablierten Open-Source-CMS-Lösung bleibt ihr flexibel und sichert euch auf Jahre eine operative und datenstrategische Handlungsfähigkeit bezüglich eurer CMS-Architektur.

Viel Erfolg! :-)

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