Usability & UX: Ist der Dark Mode benutzerfreundlich?

Weiße Schrift auf schwarzem Grund, eingebettet in eine dunkle Umgebung: Es gibt viele User*innen, die Websites, Programme und Betriebssysteme am liebsten im Dark Mode nutzen (auch Dunkelmodus oder Nachtmodus genannt). Sie sehen darin eine bessere Gebrauchstauglichkeit (Usability) und ein angenehmeres Nutzererlebnis (User Experience, UX). Die Experten*innen der Nielsen Norman Group haben das überprüft, die spannenden Ergebnisse habe ich für euch zusammengefasst.


Die Website "craiyon.com" im Dark Mode
Die Website des KI-Bildgenerators "Craiyon" erscheint im Dark Mode.

Wer steht hinter der Usability-Studie?

Die Nielsen Norman Group ist ein US-Beratungsunternehmen mit den Schwerpunkten Usability und UX. Es wurde 1998 von Jakob Nielsen und Don Norman gegründet.

Seid ihr (wie ich) unter anderem spezialisiert auf den Bereich Social-Media-Marketing, wird euch der Name Jakob Nielsen bereits begegnet sein. Bekannt ist seine 90-9-1-Regel (auch Ein-Prozent-Regel genannt): Sie besagt, dass (ausgehend von 100 User*innen) 90 Nutzer in Online-Communitys nur passiv lesen, neun auf die Inhalte reagieren und nur eine(r) selbst Inhalte erstellt.

Für den Social-Media-Kontext wurde die Regel etwas angepasst (z. B. auf 70-20-10), ihre Kernaussage bleibt aber gleich: Die meisten User lesen Posts, reagieren aber nicht darauf und würden auch niemals selbst etwas posten.

Schauen wir uns an, was die Mitarbeiter*innen von Jakob Nielsen zum Thema Dark Mode herausfanden.

Warum nutzen Menschen den Dark Mode?

Laut Nielsen Norman Group sind dies die gängigsten Argumente für den Dark Mode:

  • geringere Augenbelastung
  • geringerer Stromverbrauch
  • ansprechendere Ästhetik
  • benutzerfreundlicher für User mit Sehschwäche

Was sagen die empirischen Befunde dazu?

Geringere Augenbelastung: Dark-Mode-Befürworter glauben, der Dunkelmodus würde die Augen des Betrachters weniger beanspruchen als der Light Mode und deshalb seltener zu Kopfschmerzen führen. Einen wissenschaftlichen Beleg dafür gibt es laut Nielsen Norman Group jedoch nicht. Tatsächlich reduziere der Nachtmodus nur geringfügig diejenige Lichtmenge, welche in die Netzhaut einfällt. Ein positiver Effekt des Dark Mode für die Augen ergebe sich, wenn überhaupt, nur in einer dunklen Umgebung.

Geringerer Stromverbrauch: Der Dark Mode schont laut den UX-Experten nur dann den Stromverbrauch, wenn das Gerät ein OLED-Display besitzt. Wikipedia, übernehmen Sie:

"Eine organische Leuchtdiode (englisch organic light-emitting diode, OLED) ist ein leuchtendes Dünnschicht-Bauelement aus organischen halbleitenden Materialien, das sich von den anorganischen Leuchtdioden (LED) dadurch unterscheidet, dass die elektrische Stromdichte und Leuchtdichte geringer und keine einkristallinen Materialien erforderlich sind."

Die Nielsen Norman Group betont, dass 2023 nur rund die Hälfte aller produzierten Smartphones einen OLED-Bildschirm besitzen. Diese Displays kontrollieren jedes Pixel einzeln und senden nur die Energiemenge, die das Pixel braucht. Die Folge: Je dunkler das Design, desto geringer der Stromverbrauch.

Laut den Analysten ergab eine Studie, dass der Stromverbrauch im Dark Mode um durchschnittlich 67 % sinkt, wenn die Bildschirm-Helligkeit auf (extrem helle) 100 % eingestellt ist. Liegt die Bildschirm-Helligkeit dagegen bei 30 %, spart der Dark Mode nur 14 % ein.

Ansprechendere Ästhetik: "De gustibus non est disputandum", sagt der Lateiner – über Geschmack lässt sich nicht streiten. Entsprechend schwierig ist es, objektive Maßstäbe für ästhetisches Empfinden anzuwenden.

Spotify, Netflix, Disney Plus, Amazon Prime Video – die UX-Experten stellen fest, dass viele Streaming-Apps einzig im Dark Mode verfügbar sind. Sie vermuten, dass dadurch eine "Kino-Atmosphäre" geschaffen werden soll (dunkler Raum, helle Leinwand). Eine Best-Practice-Empfehlung ließe sich daraus jedoch nicht ableiten.

Benutzerfreundlicher für User mit Sehschwäche: Laut der Nielsen Norman Group zeigen Studien, dass der Dunkelmodus für Personen mit einer Linsentrübung (Grauer Star, Katarakt) tatsächlich vorteilhaft sein kann.

Durchgängiger Dark Mode nicht auf Knopfdruck

User gehen davon aus, dass sich alles auf ihrem Endgerät im Dunkelmodus befindet, wenn sie diesen auf Betriebssystem-Ebene aktivieren. Doch das ist falsch: Das Betriebssystem "überschreibt" nicht automatisch die Darstellungs-Einstellungen einzelner Programme.

Die Untersuchungen der Nielsen Norman Group zeigen: Dark-Mode-Nutzer realisieren häufig nicht, dass einzelne Programme (trotz Dark Mode auf Betriebssystem-Ebene) im Light Mode erscheinen. Sie empfanden dies dann auch nicht als nachteilig. Sie konnten sich noch nicht einmal daran erinnern, ob es während ihres Nutzungsvorgangs Designs gab, die nicht im Dunkelmodus erschienen waren.

Dark Mode benutzerfreundlich umsetzen

Es wird deutlich: "Harte" Usability-Argumente für einen Dark-Mode-Einsatz gibt es nicht. Wollt ihr dennoch eure Website, App oder eine andere Software-Lösung im Nachtmodus anbieten, solltet ihr laut der UX-Experten folgende Aspekte beherzigen:

Grafiken: Sie müssen im Dark Mode genauso gut aussehen wie im Light Mode. Bei Bildformaten solltet ihr auf JPG-Dateien verzichten und stattdessen SVG, WebP oder PNG nutzen, um Darstellungsprobleme bei Transparenzen zu vermeiden.

Überlagerungen (Overlays): Will man auf einer Benutzeroberfläche den Eindruck erwecken, dass ein Element sich "über" einem anderen befindet, arbeitet man mit Schatten. Das funktioniert auf hellen Hintergründen, aber nicht ohne Weiteres auf dunklen. Hier empfehlen die UX-Experten, die Elemente im empfundenen Hintergrund am dunkelsten zu gestalten (z. B. schwarz) und im empfundenen Vordergrund weniger dunkel (z. B. grau).

Lesbarkeit: Sowohl sehr dünne als auch sehr dicke Schriftarten machen Texte im Dark Mode schlecht lesbar. Dasselbe gilt für einen schwachen Farbkontrast.

Dark Mode: Was bleibt aus UX- und Usability-Sicht?

Die Nielsen Norman Group schlussfolgert: Der Dark Mode ist aus Usability- und UX-Sicht ein optionales Feature, aber in den meisten Fällen kein Muss.

Am sinnvollsten ist der Dunkelmodus in folgenden Szenarien:

  • lange Nutzungsvorgänge (News-Apps, E-Book-Reader)
  • häufiger Gebrauch (Messaging-Apps)
  • bei gewollt schwachen Lichtverhältnissen ("Kino-Atmosphäre", z. B. beim Video-Streaming) 

Soweit die Erkenntnisse der Forscher*innen ... 

... ob euer Blogger ein Dark-Mode-Fan ist? Nope. Ich nutze durchgängig den Light Mode. Als textaffiner Mensch gilt für mich die alte Usability-Regel: Dunkle Schrift auf hellem Grund ist für das menschliche Auge am besten lesbar. Die einzige Ausnahme: Wenn ich im Kino sitze, schalte ich mein Smartphone in den Dunkelmodus (um die anderen Besucher*innen nicht zu stören, wenn ich aufs Handy statt auf die Leinwand glotze).

Was haltet ihr vom Dark Mode? Lasst es mich gerne in den Kommentaren wissen.

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