SEO-Paukenschlag: Werden Backlinks als Rankingfaktor unwichtig?

Die SEO-Disziplin "Offpage-Optimierung" soll dafür sorgen, dass eine Webseite von hochwertigen anderen Online-Auftritten verlinkt wird. Dieses Qualitäts-Signal soll die verlinkte Webseite besser in der unbezahlten Google-Suche ranken lassen. Was als genialer Schachzug Googles bei der Bewertung von Webpages begann, verkam schnell zu unseriösem Geschacher und bewusster Manipulation. Sind die Tage von Backlinks als Rankingfaktor gezählt?


Symbolbild eines Hyperlinks
Dieses Link-Symbolbild erstellte das KI-Tool Craiyon.

Gary Illyes ist langjähriger Analyst bei Google und eines der Sprachrohre des Suchmaschinenriesen. Im September 2023 sorgte er bei einer Online-Marketing-Konferenz in den USA für Aufsehen.

Auf die Frage, ob Rückverlinkungen (Backlinks) immer noch ein Top-3-Rankingfaktor in der unbezahlten Google-Suche seien, antwortete er:

"I think they are important, but I think people overestimate the importance of links. I don't agree it's in the top three. It hasn't been for some time. [...] it is possible to rank without links."
(Quelle: searchengineland.com)

Zu Deutsch: "Ich denke, sie sind wichtig, aber ich glaube, die Leute überschätzen die Bedeutung von Links. Ich bin nicht der Meinung, dass sie zu den drei wichtigsten [Rankingfaktoren] gehören. Das tun sie schon seit einiger Zeit nicht mehr. [...] es ist möglich, ohne Links zu ranken."

Machen wir eine kleine Zeitreise, um zu verstehen, warum diese Sätze in der SEO-Szene einschlugen wie eine Bombe:

Wie Google die Nr. 1 auf dem Suchmaschinen-Markt wurde

Wir schreiben das Jahr 1999: Wer online sucht, tut dies mit Suchmaschinen wie AltaVista, Lycos oder Yahoo. Ein kleines Start-up namens Google wird zunächst kaum beachtet, schafft es aber im Rekordtempo, die genannten Big Player hinter sich zu lassen. In den Folgejahren entwickelte sich Google zur nicht mehr einzuholenden Nr. 1 auf dem Suchmaschinen-Markt.

Dies hauptsächlich aus zwei Gründen:

1. Optimale Markenbildung: Logo, Suchleiste, Weißraum, that's it – Google war (und ist bis heute) einfach und selbsterklärend. AltaVista, Lycos & Co. dagegen überfrachteten ihre Startseiten immer mehr mit Inhalten, bis man nicht mehr wusste, was man da eigentlich vor sich hatte: ein News-Portal? Eine Lifestyle-Webseite? Oder doch eine Suchmaschine? Google machte es besser, sodass User*innen in ihrem (Unter-)Bewusstsein folgende Gleichung verankerten: Google = Web-Suche.

Startseite der Suchmaschine AltaVista im Jahr 1999
AltaVista-Startseite 1999: Suchmaschine oder Alles-auf-einmal-Portal? (Quelle: web.archive.org)

Google-Startseite im Jahr 1999
Google-Startseite 1999: Schon damals einfach und selbsterklärend. (Quelle: web.archive.org)

2. Eine deutlich höhere Suchtreffer-Qualität: Wer Ende der 1990er-Jahre mit Yahoo, Lycos oder AltaVista suchte, bekam auf Seite 1 regelmäßig erschreckend schlechte Webseiten-Treffer ausgespielt. Googles Suchergebnisse dagegen waren eindeutig besser.

Schauen wir uns Punkt 2 genauer an, denn er hängt unmittelbar zusammen mit Gary Illyes' Aussage aus dem Jahr 2023.

Offpage-Optimierung: Backlinks als Qualitäts- und Rankingfaktor

Während Suchmaschinen wie AltaVista, Lycos oder Yahoo Ende der 1990er-Jahre nur zählten, wie häufig ein Suchbegriff auf einer Webseite vorkam, ergänzte Google diesen Rankingfaktor um einen Aspekt aus der Welt der Wissenschaft:

Ob jemand in einer wissenschaftlichen Disziplin eine große Nummer ist, bemisst sich unter anderem daran, wie oft seine bzw. ihre Schriften in anderen wissenschaftlichen Publikationen zitiert werden.

Dieses Zitations-Prinzip übertrug Google auf die Web-Suche: Um die inhaltliche Qualität einer Webseite einschätzen zu können, analysierte die Suchmaschine zusätzlich, welche anderen Online-Auftritte auf diese Webseite verlinken (diese quasi "zitieren"). Handelt es sich um Link-Geber mit einem guten Ruf (= hochwertiger Online-Auftritt), erhöht dies in Googles Augen die Qualität der Webseite, auf die verlinkt wird.

Überspitzt veranschaulicht: Bekommt euer Online-Auftritt einen Backlink von bundesregierung.de, nasa.gov oder hu-berlin.de, geht Google davon aus, dass ihr höchstwertige und absolut vertrauenswürdige Inhalte bietet.

Andersherum wird aber auch ein Schuh daraus: Verlinken dubiose Schrott-Seiten auf euch, leidet die Qualität eures Online-Auftritts.

Bleiben wir beim positiven Fall: Lange galten hochwertige Backlinks als eines der stärksten Ranking-Signale für die unbezahlte Google-Suche. Es entstand die sogenannte Offpage-Optimierung: Website-Betreiber und Suchmaschinen-Optimierer versuchen, Rückverlinkungen (Backlinks) von hochwertigen Webseiten zu bekommen – und dies mitunter buchstäblich um jeden Preis.

Als der Rankingfaktor "Backlinks" ad absurdum geführt wurde

Kauf, Handel, Tausch, Spamming: Euer Blogger erinnert sich an Zeiten, als wirklich keine Möglichkeit ausgelassen wurde, auf Biegen und Brechen Backlinks zu platzieren.

Eine "historische Playlist der Backlink-Absurditäten":

➤ Massenhaftes Setzen völlig sinnentleerter Blog-Kommentare – nur, um dort einen Link auf die eigene Webseite platzieren zu können.

➤ Das Veröffentlichen völlig irrelevanter "Online-Pressemeldungen", um aus diesen heraus von Online-Presseportalen auf sich selbst verlinken zu können.

➤ Das buchstäbliche Kaufen von Backlinks: Dubiose Anbieter diverser "Web-Verzeichnisse" ließen (und lassen) es sich hoch dotieren, Backlinks auf deren (häufig völlig grottigen) Webseiten zu setzen.

➤ Das kalkulierte Hochziehen von (oftmals lieblos hingeklatschten) Blogs auf separaten Domains, um von dort aus auf den Haupt-Online-Auftritt verlinken zu können.

➤ Und mein Absurditäten-Favorit: Das Schalten von Stellenanzeigen auf Universitäts-Websites, um einen heißbegehrten Backlink von einem Hochschul-Online-Auftritt zu bekommen.

Ihr seht: Mit der ursprünglichen Qualitäts-Logik Googles hat das alles nichts mehr zu tun. Google ging es von Anfang an um objektive, freiwillige Empfehlungen in Form von Links – nicht um Geschacher oder Manipulation und schon gar nicht darum, dass man gegen Bezahlung über den Umweg eines anderen Online-Auftritts auf sich selbst verlinkt.

Das Traurige: Einige Jahre lang waren diese Machenschaften sehr effektiv (und ich befürchte, sie sind es teils auch heute noch, gleichwohl Google es algorithmisch deutlich eindämmen konnte). 

Erst das Google Penguin-Update brachte 2012 einen Paradigmenwechsel zum Positiven: Seitdem wird es (dank permanenter algorithmischer Updates) immer schwieriger, über unnatürliche Links gute Rankings zu erreichen. Im Gegenteil: Ihr handelt euch Google-Sanktionen ein, wenn für den Suchmaschinenriesen offensichtlich wird, dass das Backlink-Profil eures Online-Auftritts nicht auf natürlichem Wege entstanden ist.

Offpage-Optimierung: Auch 2023 noch weit entfernt von Googles Grundgedanken

Googles Empfehlung lautete stets: Bietet hochwertige Inhalte und die hochwertigen Backlinks werden von alleine kommen. Die Realität gestaltet sich leider deutlich härter: Heißt ihr nicht Wikipedia oder Spiegel Online oder nennt die Lottozahlen vom nächsten Samstag auf euren Webseiten, wird es schwierig mit natürlich erworbenen, hochwertigen Rückverlinkungen. 

Hinzu kommt: Wirklich profitieren werden eure Webseiten nur dann von Rückverlinkungen, wenn diese Backlinks a) thematisch passen und b) aus dem Haupt-Inhalt des verlinkenden Online-Auftritts heraus gesetzt werden. Ein Link im Footer-Bereich ohne thematischen Kontext ist wenig bis nichts wert. Auch das gegenseitige (reziproke) Verlinken bringt wenig bis nichts.

Der Google-Qualitätsgrundgedanke war und ist: Ein hochwertiger Online-Auftritt verlinkt auf euch thematisch passend, weil er freiwillig und ohne Einflussnahme von außen überzeugt davon ist, dass euer Content verlinkungswürdig ist. Versucht ihr, dies "unnatürlich" zu beeinflussen, habt ihr diese Logik bereits im Ansatz ad absurdum geführt.

Was also taugen Offpage-Optimierungstipps im Jahr 2023?

Offpage-Optimierung 2023: 3 mögliche Hebel – und ihre tatsächliche Effizienz

1. Gastartikel (Guest Blogging)

Logik: Ihr veröffentlicht hochwertige Beiträge auf anderen Seiten, von denen aus ihr auf euren Online-Auftritt verlinkt.

Effizienz: Guest Blogging kann funktionieren, wenn a) die Gastgeber-Webseite thematisch passend, vertrauenswürdig und hochwertig ist, b) euer Beitrag dauerhaft dort bestehen bleibt, c) der Link auf euren Online-Auftritt dofollow ist (= nicht auf nofollow gesetzt wird) und – wichtig – d) hinter der Gastbeitrags-Möglichkeit kein Geschäftsmodell der Gastgeber-Website steht.

Sobald im Hintergrund ein Deal stattfindet (Gastgeber-Website will Geld), verstoßt ihr gegen die Google-Richtlinien. Der Suchmaschinenbetreiber erkennt mittlerweile gut bzw. schnell, ob es sich um ein Content-/SEO-Geschäftsmodell handelt.

Renommierte Medien wie handelsblatt.com ermöglichen es gegen Bezahlung, auf ihren Seiten "interessengeleitete Content-Marketing-Beiträge" (auch "Advertorials" genannt) zu veröffentlichen (Hintergrund: Der Journalismus darbt wirtschaftlich und sucht händeringend nach Umsatzmodellen). Für eine größere Ansicht bitte in das Bild klicken:

Advertorials auf handelsblatt.com
"Parasite SEO" am Beispiel von handelsblatt.com.

Der Fachbegriff dafür lautet "Parasite SEO": Auf dem Rücken eines namhaften Online-Auftritts versucht man, seine eigene Google-Sichtbarkeit zu verbessern. So klangvoll der Name des "Wirtes", so substanzlos das Unterfangen: Google wird immer besser darin, solche kommerziellen Netzwerke zu erkennen. Die Folge: Die Veröffentlichung eurer Beiträge bringt euch aus SEO-Sicht im "besten" Fall nichts, im schlimmsten Fall eine Google-Sanktion. 

2. Online-Pressearbeit

Logik: Variante A – ihr veröffentlicht Online-Pressemitteilungen auf Presseportalen, um von dort aus auf euch selbst zu verlinken. Variante B – ihr verschickt per Mail Pressemeldungen an Redaktionen, in der Hoffnung, dass diese über euch berichten und auf euch verlinken.

Effizienz: Variante A (Presseportale) könnt ihr knicken. Auch wenn namhafte Anbieter dieser Portale (unter anderem die Deutsche Presse-Agentur, dpa) euch etwas anderes versprechen (again: Der Journalismus darbt wirtschaftlich …): Google hat Links von derartigen Portalen schon lange entwertet. Grund: Ihr verlinkt gegen Bezahlung über einen Umweg auf euch selbst, was nichts mit der ursprünglichen Backlink-Qualitätslogik des Suchmaschinenriesen zu tun hat. 

Variante 2 (Pressemeldung an Redaktionen) solltet ihr realistisch sehen: Bietet euer Unternehmen tatsächlich einen News-Wert, der Medien aufhorchen, berichten und vor allem auf euch verlinken lässt? Solange ihr keine Zeitreisen ermöglicht, Allheilmittel entwickelt oder wenigstens das Rad neu erfindet, sieht es düster aus.

3. Von euch erstellte Markt-Studien

Logik: Ihr geht tief in die Marktforschung und veröffentlicht fundierte, umfangreiche Analysen zu den Themen eurer Branche, sodass Medien, Marktbegleiter und eure Zielgruppen auf euch verlinken.

Effizienz: Derartige Studien sind immens aufwendig und ohne Backlink-Garantie. Bestenfalls berichten andere über eure Studie, aber damit ist nicht garantiert, dass sie auch (dofollow) auf euch verlinken. 

Wird die Offpage-Optimierung unwichtiger? Oder: Warum ich Gary Illyes' Worte begrüße

Die Jagd nach Backlinks hatte noch nie wirklich etwas mit dem Google'schen Qualitäts-Grundgedanken zu tun. Entsprechend begrüße ich es, dass der Suchmaschinen-Betreiber offensichtlich daran arbeitet, Backlinks bei der Qualitätseinschätzung von Webseiten zu degradieren.

Gary Illyes' Worte gehen Hand in Hand mit dem Siegeszug der Künstlichen Intelligenz (genauer: dem maschinellen Lernen): Dank Muster- und Entitäten-Erkennung sowie Natural Language Processing, wird Google immer besser darin, die Qualität von Webseiten vorrangig anhand von Onpage-Faktoren zu beurteilen (unter anderem die Content-Qualität sowie die E-E-A-T-Werte der Autoren*innen, Erklärung folgt unten).

Kombiniert mit dem Auswerten von Nutzersignalen auf den Suchergebnis-Seiten und der technischen Performance der Website, wird dies künftig es den Algorithmen erleichtern, die Qualität eines Online-Auftritts aus sich selbst heraus einschätzen zu können.

Backlinks werden nicht bedeutungslos werden: Eine natürlich entstandene, thematisch passende Rückverlinkung von einem hochwertigen, vertrauenswürdigen Online-Auftritt wird immer Gold wert sein. Aber es wird auch möglich sein, einzig durch den auf der eigenen Webseite gebotenen Content nach ganz oben in der unbezahlten Google-Suche zu gelangen.

Heißt für euch (und mich): 

➤ Bietet Content, der relevant und ganzheitlich die Suchanfragen eurer Zielgruppen beantwortet und dabei in eine überzeugende User Experience (UX) eingebettet ist.

➤ Sorgt für gute E-E-A-T-Werte: Baut euch als Website-Betreiber eine Reputation auf als kompetente (Expertise), erfahrene (Experience), anerkannte (Authoritativeness) und vertrauenswürdige (Trustworthiness) Online-Quelle.

➤ Und stellt sicher, dass Google euren Online-Auftritt technisch reibungslos erfassen (crawlen) kann. 

SEO war, ist und bleibt ein Langstreckenlauf – ein äußerst lohnenswerter mit einer aus Marketing-Sicht unschlagbaren Kosteneffizienz. 

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