Deutschland 2030: Wirtschaftsmacht oder Abstiegskandidat?

Erfolgsgeschichten wie Bosch oder Daimler machten Deutschland zu einem erfolgreichen Wirtschaftsstandort. Doch wie zukunftsfähig ist unsere Ökonomie angesichts der fortschreitenden Digitalisierung? Das Beratungsunternehmen Deloitte entwirft verschiedene Szenarien für das Jahr 2030.


Blick in die Glaskugel: Der Wirtschaftsstandort Deutschland im Jahr 2030
(Ball unter CC0 1.0)

2030: Zwei kritische Wirtschaftsfaktoren

Die erste kritische Ungewissheit fragt laut der aktuellen Deloitte-Studie, ob deutsche Unternehmen bis 2030 folgende Aspekte in ihre Wertschöpfung integrieren können:

➧ exponentielle Technologien (z. B. Cloud-Computing, digitale Plattformen, Künstliche Intelligenz, 3D-Druck, Robotik)
➧ neue Formen der Energiegewinnung
➧ das Konzept der Kreislaufwirtschaft (Rohstoffe gelangen über den Lebenszyklus einer Ware hinaus wieder vollständig in den Produktionsprozess)

Die zweite kritische Ungewissheit stellt zwei Fragen:

➧ Können deutsche Unternehmen bis 2030 Märkte und Zielgruppen mit integrierten Plattform-Lösungen und Partner-Netzwerken erobern?
➧ Oder bleiben sie als Hersteller, Entwickler und Dienstleister auf einem eindimensionalen Level stehen (= Anbieter von Insellösungen)?

Deloitte entwickelte vier Szenarien, die diese Fragen aufgreifen:

Szenario 1: Deutschland als ganzheitlicher Wertschöpfer

In diesem Zukunftsszenario würden deutsche Unternehmen im Jahr 2030 folgende Aspekte erfolgreich kombinieren:
  • hochmoderne Technologie
  • technische Produkte
  • kundenzentrierte Dienstleistungen

Ganzheitliche Wertschöpfung
(Circuit unter CC0 1.0)

Die Firmen hätten die komplette Wertschöpfungskette inne und böten auf integrierten Plattformen ihren weltweiten Endkunden Komplettlösungen. Ein Umdenken von der Produkt- zur Kundenorientierung hätte erfolgreich stattgefunden.

Gleichzeitig wäre es aber für kleine Marktteilnehmer problematisch, mit den großen Anbietern mitzuhalten: Der Aufbau einer erfolgreichen Plattform ist kostenintensiv.

Im Bildungsbereich wäre es Deutschland in diesem Szenario gelungen, Arbeitnehmer erfolgreich aus- und weiterzubilden. Auch die digitale Infrastruktur (Breitband-Internet und flächendeckende WLAN-Angebote) wäre vorbildlich.

Szenario 2: Deutschland als spezialisierter Spitzenreiter

In diesem Szenario wären deutsche Unternehmen im Jahr 2030 entweder Hersteller, Technologie-Entwickler oder Dienstleister – jeweils mit innovativen Lösungsansätzen.

Integrierte Plattform-Lösungen hätten sich als zu kostspielig und komplex für einzelne Unternehmen erwiesen. Deshalb sollen weitreichende Allianzen sicherstellen, dass die Hard- und Softwarekomponenten verschiedener Hersteller kompatibel sind.

Deutsche Unternehmen würden sich auf Nischen mit hochinnovativen Produkten und Services konzentrieren. Global könnte man mithalten, würde jedoch durch das zersplitterte Angebot gebremst. Auch wäre es sehr teuer, die genannten Kompatibilitäten sicherzustellen.

Szenario 3: Deutsche Unternehmen als Nachahmer

In diesem Szenario würden sich deutsche Unternehmen voll auf Produkte und Services konzentrieren, die ausländische Marktführer global bereits anbieten. Deutschland wäre eine verlängerte Werkbank für integrierte Plattform-Anbieter sowie Outsourcing-Partner der Top-Player.

Deutschland als verlängerte Werkbank
(Werkbank unter CC0 1.0)

Die Marktanteile der deutschen Nachahmer wären rückläufig, da man technologisch nicht mithalten könnte. Deutsche Unternehmen hätten eine begrenzte globale Reichweite, da sie keine integrierten Lösungen anbieten würden.

Unternehmen würden Deutschland verlassen, Künstliche Intelligenz und Programme die Arbeit von Menschen übernehmen.

Szenario 4: Deutschland als meisterhafter Kombinierer

In diesem Szenario böten deutsche Unternehmen integrierte Lösungen: Sie würden existierende Technologien mit bewährten kundenzentrierten Services kombinieren.

Trendforschung und Gestaltungstalent sicherten das wirtschaftliche Überleben. Deutsche Unternehmen wären "schnelle Verfolger" und würden Technologien und Services kopieren.

Jedoch würde man sich neue Technologien nur langsam und in kleinen Schritten aneignen. Forschungs- & Entwicklungsausgaben konzentrierten sich eher auf Evolution als auf Revolution.

Prognosen sind schwierig…

...besonders, wenn sie die Zukunft betreffen. Gesagt hat's wahlweise der deutsche Kabarettist Karl Valentin, der US-Schriftsteller Mark Twain oder der dänische Physiker Niels Bohr.

Es ist zu begrüßen, dass Deloitte mit mehreren Szenarien arbeitet. So sehr ich Deutschland Szenario 1 ("Ganzheitlicher Wertschöpfer") wünsche, für so unwahrscheinlich halte ich es im B2C-Bereich (Endkundengeschäft): Deutsche Unternehmen werden kaum zeitnah zu den US-Größen (Google, Amazon, Facebook, Apple) oder den China-Titanen (Baidu, Alibaba, Tencent) aufschließen können.

Auch müsste unser Bildungssystem in den nächsten Jahren überraschende Quantensprünge hinlegen, um das für Szenario 1 benötigte Fachkräfte-Level zu erreichen.

B2B als Deutschlands Rettung?


Ist die B2B-Plattform-Ökonomie Deutschlands Rettungsring?
(Rescue unter CC0 1.0)

So ruhen die deutschen Hoffnungen auf dem Business-to-Business-Sektor (B2B, Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen): Hier halte ich Szenario 1 ("Deutschland als ganzheitlicher Wertschöpfer") für wünschenswert, aber sportlich. Szenario 2 ("Deutschland als spezialisierter Spitzenreiter") dagegen scheint denk- und machbar.

Szenario 3 ("Deutsche Unternehmen als Nachahmer") und 4 ("Deutschland als meisterhafter Kombinierer") basieren in meinen Augen beide auf dem Nachahmerprinzip: Eher untypisch deutsch und damit weniger realistisch, wie ich finde.

Fazit: Aufwachen & loslegen!

Die Art der Wertschöpfung, mit der Deutschland seit 1949 Wohlstand und Wachstum erreichte, wird im Digitalisierungszeitalter so nicht mehr funktionieren. Und ein Schicksal als "verlängerte Werkbank" oder "reiner Absatzmarkt" sollten wir kommenden Generationen ersparen.

Solange digitaler Gründergeist in Deutschland durch Bürokratie und zu restriktiven Datenschutz ausgebremst wird, kann der digitale Bundesadler nicht abheben. Meine Hoffnungen ruhen daher auf einem geeinten Europa, das gemeinsam das globale Großprojekt "Wirtschaft 4.0" meistert.

Lasst es mich wissen: Wo seht ihr Deutschland wirtschaftlich im Jahr 2030?

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Titelbild: Digital Art unter CC0 1.0