Projektmanagement: Wasserfall vs. Scrum – klassisch oder agil? (Teil I)

Wie unterscheiden sich traditionell-sequenzielle Projektmanagement-Methoden von der modernen agilen Variante? Und welchen Ansatz sollte man nutzen? Hier kommen die Antworten.

Sequenzielles versus agiles Projektmanagement
(Projekt / Pixabay-Lizenz)

Stellt euch vor, ihr plant euren ersten Halbmarathon (rund 21,1 km):

Würdet ihr dieses Projekt klassisch-sequenziell angehen, wäre alles von vornherein durchgeplant, inklusive einer vorab eindeutig verorteten Ziellinie. Eure Aufgabe: die festgelegte Strecke so schnell wie möglich absolvieren.

Plant ihr den Lauf dagegen agil, wäre vorab nicht eindeutig festgelegt, wo die Ziellinie ist. Fixiert wäre aber die Zeit, in der ihr euch dem Ziel so weit wie möglich annähern müsst.

Zu abstrakt? Ok, dann am Beispiel eines gängigen IT-Projekts im Büro (die Laufschuhe könnt ihr ruhig anlassen):

Sequenzielles vs. agiles Projektmanagement

1. Der klassisch-sequenzielle Ansatz
Im sequenziellen (= nacheinander erfolgenden) Projektmanagement plant ihr das Projekt von Anfang bis Ende exakt durch, bis auf die Ebene von Arbeitspaketen. Das Vorgehen ist stark dokumentationsgetrieben und prozessorientiert.

Ursprung des sequenziellen Ansatzes ist die tayloristische Arbeitsorganisation, deren Namensgeber der US-Ingenieur Frederick Winslow Taylor (1856-1915) ist. Seine (nach wie vor heftig kritisierte) Auffassung: Man könne Menschen leistungsfähiger machen, indem man einen Arbeitsvorgang in kleinste Einheiten zerlegt, wobei diese Einheiten
  • geistig wenig fordernd, 
  • schnell wiederholbar
  • und schnell erlernbar sind. 
Der einzelne Arbeiter bekommt seine To-dos aufdiktiert, die Ausführung wird überwacht.

Die Schwächen des tayloristischen Ansatzes finden sich auch im klassisch-sequenziellen Projektmanagement wieder:
  • Die menschliche Seite kommt zu kurz, 
  • der Teamgedanke leidet,
  • das ganze Projekt wird hochgradig unflexibel.
Im sequenziellen Projektmanagement entsteht sehr früh ein Lastenheft des Auftraggebers, welches wiederum in das Pflichtenheft des Auftragnehmers mündet: Ersteres dokumentiert, was sich der Auftraggeber wünscht, letzteres was der Auftragnehmer schließlich liefern wird.

Risiko: Kommt es im rein sequenziellen Projektmanagement zu Änderungen, muss die gesamte Projektplanung angepasst werden. Grund: Die gesetzten Projekt-Meilensteine sind voneinander abhängig. Oftmals sieht der Kunde die Softwarelösung erst beim Release-Termin des fertigen Produktes (teils mit versteinertem bis geschocktem Gesichtsausdruck, "Also eigentlich hatten wir da was anderes erwartet...").

Eine typisch sequenzielle Projektmanagement-Methode im Software-Bereich ist das Wasserfall-Modell: Die Ergebnisse einer Projekt-Phase "fallen" als verbindliche Vorgabe kaskadenartig in die nächsttiefere Phase. Jede Phase hat vordefinierte Start- und Endpunkte mit eindeutigen Ergebnissen.

2. Der moderne agile Ansatz
Vorsicht, Buzzword-Alarm! Ähnlich wie "innovativ" oder "disruptiv" muss das arme Adjektiv "agil" mittlerweile für jeden halbgaren Mumpitz herhalten und droht vollends zu verwässern.

Deshalb zunächst die Definition der letzten Instanz der deutschen Sprache – aka Duden:
agil: von großer Beweglichkeit zeugend; regsam und wendig 
Im agilen Projektmanagement beschreibt ihr anfangs die Projektziele nur grob. Die umzusetzenden Funktionen bleiben bewusst vage, sodass die aus dem klassischen Projektmanagement bekannten Lasten- und Pflichtenhefte häufig entfallen.

Im agilen Projektmanagement kann das Projekt-Team weitgehend frei gestalten. Der Prozess dreht sich um den Menschen – nicht um sich selbst. Die Akteure:

Der Product Owner: Er ist die Schnittstelle zum Kunden und verantwortlich für den Anforderungskatalog.

Die Developer: Sie sind die in den technischen Teil des Projektes involvierten Mitarbeiter.

Der Projektmanager: Er konzentriert sich auf die Führung des Teams.

Im agilen Projektmanagement gilt das Prinzip: So wenig Dokumentation wie möglich, aber soviel wie nötig. Entwickelt wird in zwei- bis vierwöchigen Zyklen (auch Sprints oder Iterationen genannt).

Ist ein Zyklus beendet, bekommt der Projekt-Kunde lauffähige, stabile und getestete Funktionen der Software zu sehen. Der Kunde bewertet, was er sieht, was die Entwickler wiederum im nächsten Zyklus berücksichtigen. Anders als im klassisch-sequenziellen Projektmanagement stellt man den Kunden also nicht vor vollendete Tatsachen, sondern bezieht ihn in die Entwicklung mit ein.

Vorteil: Das Projektmanagement bleibt äußerst flexibel, die einzelnen Projektschritte laufen unabhängig voneinander.

Heißt für den Projektstart: keine spezifischen Verhandlungen über Laufzeit, Umfang, Preis und Funktionalität der zu entwickelnden Software. Wohl aber eine fixierte Minimalanforderung (geht auch phrasig, heißt dann "Primary Condition of Satisfaction").

Der Release-Plan überblickt das Gesamtprojekt, wird laufend aktualisiert und definiert folgende Punkte:
  • Kosten und Zeit
  • Reihenfolge, in der die einzelnen Anforderungen umgesetzt werden
  • Anzahl der nötigen Iterationen (Zyklen, Sprints)
Eine Iteration (Zyklus, Sprint) dauert ein bis sechs Wochen und liefert ein Stück funktionierende Software (ein sogenanntes Inkrement, lat. für "Zuwachs"). Mehrere Iterationen münden in einen Release.

Der Iteration Review bespricht, kontrolliert und verbessert den vorangegangenen Sprint. Der Kunde ist miteinbezogen.

Die Iteration Retrospective schließt eine Iteration formal ab. Bewährtes bleibt erhalten, Probleme führen zu Verbesserungen.

Eine gängige agile Projektmanagement-Methode ist neben Design Thinking, eXtreme Programming oder Crystal Family das populäre Scrum, welches wir uns im zweiten Teil dieses Beitrages näher anschauen.

Projektmanagement: Alles nur agil – und nichts sequenziell?

Als Star-Wars-Fan höre ich bei solch einer Frage sogleich die warnende Worte Obi-Wan Kenobis aus Episode III:
"Nur ein Sith kennt nichts als Extreme!"
...und egal wann, wo und mit welchem Team: Die Sith (= die Ober-Bösen im Star-Wars-Universum) haben bislang ihre Projekte auf lange Sicht immer laut hupend gegen die Wand gesetzt (Episoden IV, VI, VII und IX anschauen, ein Projekt-GAU namens "Flughafen BER" ist nichts dagegen!).

Deshalb: Vergesst das Entweder-oder, wählt das Sowohl-als-auch. Dafür gibt es einen methodischen Ansatz, er nennt sich hybrides Projektmanagement und will das Beste aus dem sequenziellen und dem agilen Ansatz vereinen. Denn ebenso der agile Ansatz birgt isoliert genutzt das Risiko, kopf- und planlos Geld zu verbrennen, ohne je wirklich ans Ziel zu kommen (beliebte Phrase: "Wir sind ja sowas von agile [gesprochen "ätschail" (UK) oder "ätschill" (US)]…").

Nutzt die Flexibilität und Team-Orientierung des agilen Ansatzes, kombiniert ihn mit der Stringenz und Verbindlichkeit der sequenziellen Methode.

Und bedenkt bei all dem: Projekte, die scheitern, tun dies mehrheitlich nicht aus methodischen, sondern aus psychologischen Gründen. Einen kommunikativ und sozial inkompetenten Projektmanager retten auch keine Scrum- oder Wasserfall-Methoden...

...oder mit den Worten der Wirtschaftsberaterin und Wirtschaftsethikerin Monique R. Siegel (1939-2019):
"Echte Leader schauen nicht in Führungsbücher, sondern in die Augen der Mitarbeiter."
Viel Erfolg!

Link-Tipp & Quelle:

Kommentare

Hier bloggt Mathias Sauermann:

NEWSLETTER:

Erhalte die besten Beiträge meines Blogs >gratis und freibleibend!

Vernetze dich mit mir auf LinkedIn Xing FacebookInstagram.

Weitere spannende Beiträge dieses Blogs findest du in den Rubriken:
Online-Marketing-Tipps
Digitalisierung

Meinung!
Onliner-Allerlei


Titelbild: Digital Art unter CC0 1.0