Digitale Transformation: Welche Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben – und welche nicht
Die Wirtschaftswelt digitalisiert sich immer schneller: Geschäftsmodelle, die jahrzehntelang als sicher galten, können binnen weniger Jahre komplett umgekrempelt werden. Unternehmen, die wettbewerbsfähig bleiben wollen, müssen handeln. Was das Abstraktum "Digitale Transformation" konkret bedeutet, zeigen die Autoren Appelfeller und Feldmann.
"Die digitale Transformation des Unternehmens" lautet der Titel des 2023 in zweiter Auflage erschienenen Buches der beiden Hochschulprofessoren Wieland Appelfeller und Carsten Feldmann (beide Münster School of Business). In einem Kapitel nennen sie fünf Handlungsfelder der digitalen Transformation, die jedes Unternehmen fokussieren sollte.
Dabei beziehen sie sich auf David L. Rogers (Columbia Business School) und seine 2017er-Publikation "Digitale Transformation – Das Playbook" (das in den Augen eures Bloggers bislang beste Buch zum Thema).
Digitale Transformation erfolgreich umsetzen: 5 Handlungsfelder
Die Kurzübersicht:
1. Zielgruppe: Kunden-Netzwerke aufbauen, statt anonyme Massenmärkte zu adressieren.
2. Wettbewerb: Plattformen entwickeln, statt nur Produkte/Services anzubieten.
3. Daten & Wissen: Daten in Vermögenswerte umwandeln, Erkenntnisse gewinnen, datenbasiert entscheiden.
4. Innovation: schnelles Experimentieren (Minimum Viable Products).
5. Wertschöpfung: Nutzenversprechen und Geschäftsmodell stetig anpassen.
Schauen wir uns das im Detail an:
➤ Zielgruppe:
Ging es früher vorrangig darum, die Zielgruppe zum Kauf zu motivieren, soll diese nun in einem Netzwerk mit dem Unternehmen interagieren.
Der Kunde wird zum strategischen Partner des Unternehmens: Als Influencer beeinflusst er andere Kunden, als Co-Creator bereichert er das Produkt- und Service-Portfolio des Unternehmens.
Wirtschaftlicher Erfolg bemisst sich nicht mehr daran, wie viele Stückzahlen an einen anonymen Massenmarkt verkauft wurden, sondern daran, ob es gelingt, Kundenbindung aktiv zu leben.
➤ Wettbewerb:
Statt nur Produkte und Services zu entwickeln, sollten Unternehmen Plattform-Geschäftsmodelle aufbauen. Das kann auch bedeuten, ein eigentlich proprietäres (herstellergebundenes) Angebot gegenüber anderen Unternehmen zu öffnen.
Es muss nicht zwangsläufig der Plattform-Betreiber sein, der einen Kunden-Nutzen auf seiner Plattform ermöglicht. Stattdessen schöpfen die auf der Plattform agierenden Unternehmen und Nutzer den Wert (während der Plattform-Betreiber nur den virtuellen Marktplatz verfügbar macht).
Dazu ein Zitat des Unternehmensberaters und ehemaligen Publicis-Groupe-Mitarbeiters Tom Goodwin am Beispiel der Plattform-Unternehmen Uber, Facebook, Alibaba und Airbnb:
"Uber, the world's largest taxi company, owns no vehicles. Facebook, the world's most popular media owner, creates no content. Alibaba, the most valuable retailer, has no inventory. And Airbnb, the world's largest accommodation provider, owns no real estate."
Ein weiteres Merkmal eines Plattform-Geschäftsmodells: Netzwerk-Effekte führen im Erfolgsfall dazu, dass der empfundene Nutzen des Plattform-Angebots dann wächst, wenn es die Zahl der Plattform-Teilnehmer tut. Am Beispiel von Amazon: Je mehr Händler auf Amazon, desto mehr Endverbraucher. Und je mehr Endverbraucher, desto mehr Händler.
Weiterhin ist der Wettbewerb im digitalen Zeitalter geprägt von Co-opetition: Der Begriff setzt sich zusammen aus engl. cooperation (Zusammenarbeit) und competition (Wettbewerb). Heißt in der Praxis: Ein Unternehmen kooperiert mit einem Konkurrenten, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen.
Ein Beispiel ist wiederum Amazon, welches auf seiner Plattform es Händlern ermöglicht, ihre Waren anzubieten, gleichzeitig aber selbst als Anbieter auftritt (zum Beispiel mit den Eigenmarken "Amazon Basics" oder "Amazon Essentials").
Ein weiteres Beispiel ist Microsoft, welches den Open-Source-Mitbewerber Linux jahrelang diffamierte und ignorierte, mittlerweile aber erkannt hat, dass es ohne Linux in einer zusehends vernetzten IT-Welt nicht geht.
➤ Daten & Wissen:
Unternehmen, die sich erfolgreich digital transformieren wollen, müssen digitale Daten in Vermögenswerte umwandeln. Ziel ist es, Prozesse zu optimieren sowie Produkte und Geschäftsmodelle zu innovieren.
Der volle Wert von Daten kann sich erst erschließen, wenn diese über Unternehmens-Abteilungen hinweg verfügbar sind. Anhand von datenbasierten Erkenntnissen lässt sich mit Kunden personalisiert kommunizieren, was diese wiederum stärker bindet.
Unternehmen, die erfolgreich datenbasiert arbeiten wollen, müssen folgendes beherrschen:
- Datenquellen erschließen
- Daten-Analysen ermöglichen
- Muster für datenbasierte Entscheidungen verstehen
- Datensicherheits-Risiken managen
➤ Innovation:
Erfolgreiche digitale Transformation bedeutet, schnell zu experimentieren. Statt entlang eines traditionellen Projektmanagements starr Arbeitspakete abzuarbeiten (Wasserfall-Methode), sollten Unternehmen agil vorgehen:
Ideen werden in Sprints getestet und die gewonnenen Erkenntnisse in den nächsten Sprint mitgenommen.
Hier greift die Idee eines "Minimum Viable Product" (MVP): Statt ein Produkt oder einen Service erst dann zu vermarkten, wenn diese "komplett fertig" sind, startet man bereits mit einer minimal funktionsfähigen Version.
Das setzt ein entsprechendes Mindset voraus: Scheitern darf nicht als K.-o.-Kriterium gesehen werden, sondern als Chance und Learning.
➤ Wertschöpfung:
Digitale Transformation bedeutet, dass Unternehmen ihr Wertversprechen gegenüber ihrer Zielgruppe stetig weiterentwickeln. Und zwar bereits dann, wenn das Geschäftsmodell augenscheinlich (noch) gut funktioniert.
Unternehmen müssen sich vorausschauend auf künftige Kundenbedürfnisse ausrichten. Was wiederum umso besser gelingt, je datenbasierter gearbeitet wird.
Warum digitale Transformation eine Geisteshaltung ist
Ob Zielgruppe, Wettbewerb, Daten, Innovation oder Wertschöpfung: Erfolgreiche digitale Transformation setzt voraus, dass die Unternehmenslenker dafür offen und bereit sind – und dies auch vorleben.
Euer Blogger hat Ü45-Geschäftsführer erlebt, die glaubten, durch das Tragen von Jeans und Sneakern ihrem traditionellen Unternehmen Startup-Flair einhauchen zu können – während der Mensch in diesen jugendlichen Klamotten kopfmäßig immer noch im Jahr 2003 festhing (in Sachen Mitarbeiter-Führung gar im Mittelalter, aber das ist eine andere Geschichte).
Es geht um ein Veränderungsmanagement der betrieblichen Geisteshaltung. Und das ist weitaus anspruchsvoller als die technische Implementierung von Data-Analytics-Lösungen, Collaboration-Software oder Cloud-Services.
Aber: Die Mühe lohnt sich. Und sie ist betriebswirtschaftlich überlebenswichtig.
Ich wünsche euch viel Erfolg bei der digitalen Transformation eures Unternehmens.
Quelle & Link-Tipps:
- Wieland Appelfeller, Carsten Feldmann: Die digitale Transformation des Unternehmens
- Digitale Transformation in der Praxis
- Buchtipp: Digitale Transformation – das Playbook
- IT-Studie 2023: Die digitale Transformation der DACH-Unternehmen
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