Candidate Experience: Was ist Job-Bewerbern 2023 wichtig?

Der Berliner HR-Dienstleister Softgarden veröffentlichte eine zweiteilige Studie unter dem Titel "Candidate Experience 2023". Ob Home-Office, Google-Suche, Bewerbungsformate, Job-Interview oder Stellenanzeigen: Einige spannende Ergebnisse zu den Themen Recruiting und Onboarding habe ich für euch zusammengefasst.


Symbolbild zum Thema "Candidate Experience"
Candidate Experience: Dieses Symbolbild erstellte das KI-Tool Craiyon.

Candidate-Experience-Studie: Wer wurde befragt?

Softgarden interviewte zwischen April und Mai 2023 online rund 3.800 Personen, die sich zum Zeitpunkt der Erhebung auf eine neue Position beworben hatten.

Nach Alter:

  • Unter 18 Jahren: 3,3 %
  • 18-24 Jahre: 20,0 %
  • 25-34 Jahre: 34,0 %
  • 35-44 Jahre: 21,1 %
  • 44-59 Jahre: 19,0 %
  • 60 Jahre und älter: 2,6 %

Nach Berufserfahrung in Jahren:

  • Keine: 20,1 %
  • 1-5 Jahre: 33,7 %
  • 6-10 Jahre: 15,9 %
  • 11-20 Jahre: 15,2 %
  • Mehr als 20 Jahre: 15,1 %

Nach Geschlecht:

  • Weiblich: 41,8 %
  • Männlich: 57,2 %
  • Nicht binär: 1,1 %

Nach Bildungsgrad:

  • Universitätsabschluss: 32,9 %
  • Realschulabschluss: 19,2 %
  • Fachhochschulabschluss: 16,5 %
  • Hauptschulabschluss: 11,1 %
  • Abitur: 10,9 %
  • Fach-Abitur: 9,5 %

Nach angestrebter Position/Branche (Top 5):

  • Vertrieb und Verkauf: 11,2 %
  • IT: 9,1 %
  • Marketing und Kommunikation: 8,0 %
  • Ingenieurwesen und andere technische Berufe: 7,6 %
  • Personal/HR: 6,7 %

Blicken wir auf einige Kernergebnisse der Studie:

Die Rolle des Home-Office bei der Arbeitgeberwahl

Knapp 60 % der Umfrageteilnehmer*innen bewarben sich auf eine remotefähige Stelle und konnten somit zum Thema Home-Office befragt werden.

Rund 31 % von ihnen gaben an, dass ihre Wahl des Arbeitgebers "sehr stark" von der Frage beeinflusst wird, ob Home-Office möglich ist. Weitere 23,5 % antworteten mit "stark".

Für eine Mehrheit ist das Thema Home-Office bei der Arbeitgeberwahl demnach entscheidend.
 

Welche Rolle spielt Google bei der Jobsuche?

Rund 68 % der Befragten betrachten Google bei der Jobsuche als "unverzichtbar". Rund 76 % stimmen der folgenden Aussage zu: 

"Ich kann alle für meine Jobsuche relevanten Informationen am schnellsten per Google finden". 

Dafür nutzen Bewerber*innen Google bei der Jobsuche: 

  • Zum Hintergrund-Check von Arbeitgebern (81,5 %)
  • Als zusätzliches Tool, nach der Suche in Jobbörsen und anderen Kanälen, um nichts Wichtiges zu verpassen (75,7 %)
  • Start der Jobsuche (67,9 %)

Zum Thema Hintergrund-Check zählen die folgenden Aspekte:
  • Erfahrungsberichte von Mitarbeitern / Arbeitgeberbewertungen
  • Länge des Arbeitsweges
  • Gehalts-Check

"Mit welcher Kombination suchst du am häufigsten bei Google nach Jobs?"

➤ [Jobname + Ort]: 37,8 %

➤ [Jobname + Unternehmensname + Ort ODER Jobname + Unternehmensname]: 18,2 %

➤ [Jobbörse(n) ODER Jobbörse(n) + Jobname]: 14,2 %

➤ [Jobname + remote/Home-Office]: 7,8 %

➤ [Jobname (bspw. Softwareentwickler, Spezialist Marketing, Krankenpfleger)]: 6,5 %

Welche Bewerbungsformate bevorzugen Jobsuchende?

"Wie findest du folgende Formen der Bewerbung?" [jeweils Top-2-Antworten]:

One-Click-Bewerbung – Übermitteln eines gespeicherten Lebenslaufs als Bewerbung (z. B. auf LinkedIn): 

  • sehr gut: 34,0 %
  • gut: 34,4 %

Upload eines Lebenslaufs als normale Online-Bewerbung (mit Lebenslauf, Dokumenten etc.):

  • sehr gut: 56,1 %
  • gut: 34,6 % 

Kurzbewerbung per Whatsapp:

  • schlecht: 24,9 %
  • sehr schlecht: 21,7 %

Klassische Bewerbung über ein Formular – mit manueller Eingabe des Lebenslaufs:

  • gut: 30,3 %
  • schlecht: 24,1 %

Klassische Bewerbung mit CV-Parsing (automatisiertes Auslesen des Lebenslaufs aus einem PDF):

  • gut: 35,6 %
  • sehr gut: 23,8 %

Auffallend bei jüngeren Bewerber*innen: 47,5 % der Unter-24-Jährigen empfinden eine Bewerbung per Whatsapp als "gut" bis "sehr gut". Ähnliches gilt für eine Videobewerbung.

Was sind No-Gos bei Online-Bewerbungen?

"Welche Aspekte im Online-Bewerbungsprozess führen dazu, dass du eine Bewerbung abbrichst bzw. gar nicht erst beginnst?"

➤ Pflichtfelder, die mit der Stelle nichts zu tun haben (66,4 %)

➤ Schwierigkeiten beim Upload von Dokumenten, zum Beispiel Dateigrößen reichen nicht aus (65,7 %)

➤ Keine Upload-Möglichkeit für den Lebenslauf, stattdessen muss ich alles manuell eingeben (64,1 %)

➤ Bewerbung kann nur gestartet werden, wenn ein Account mit Passwort angelegt wird (63,6 %)

Ebenfalls wichtig ist der Faktor Zeit: 57,6 % der Befragten möchten maximal zehn Minuten aufwenden, um ihre Daten in ein Online-Bewerbungssystem einzugeben.

Welche Informationen sollten Stellenanzeigen bieten?

Diese Frage ergab folgendes Ranking:

  • Kultur des Unternehmens als Arbeitgeber (61,2 %)
  • Konkrete Einblicke in die Aufgabe und den Joballtag (56,7 %)
  • Angaben zu den Anforderungen an mich als Bewerber (55,1 %)
  • Informationen zum Gehalt (47,4 %)

Klickstarke Elemente in Online-Stellenanzeigen sind Gehaltsangaben, Bewertungen sowie das Angebot, ortsunabhängig zu arbeiten.

Wie sollten Stellenanzeigen auf Social Media gestaltet sein?

Job-Ads auf Social-Media-Plattformen können sogenannte "Passiv-Sucher" erreichen, also Jobsuchende, die nicht aktiv recherchieren, sondern warten, welche Stellenangebote ihnen begegnen. Dies vor allem auf Business-Netzwerken wie LinkedIn.

"Folgende Kanäle für gezielte Jobanzeigen auf Social Media finde ich für mich passend."

  • LinkedIn: 81,3 %
  • Xing: 59,4 %
  • Instagram: 48,0 %
  • Facebook: 40,8 %
  • Spotify: 14,4 %
  • TikTok: 14,3 %
  • Snapchat: 10,2 %

Rufen Jobsuchende nach Klick eines Social-Media-Job-Posts eine Landingpage auf, wünschen sie sich dort folgende Bestandteile:

➤ Aufgaben der Mitarbeiter in dem Berufsfeld (74,4 %)

➤ Standorte des Berufsfelds und Informationen zu Home-Office und ortsunabhängigem Arbeiten (69,7 %)

➤ Informationen zum Bewerbungsprozess (68,3 %)

➤ Bedeutung des Berufsfelds im Unternehmen (66,0 %)

➤ Benefits und besondere Angebote für Mitarbeiter in dem Berufsfeld (58,0 %)

➤ Arbeitgeberbewertungen von Mitarbeitenden aus dem Berufsfeld (42,9 %)

➤ Anzahl der Mitarbeiter aus dem Berufsfeld im Unternehmen (39,7 %)

➤ Testimonials (Mitarbeitende aus dem Berufsfeld), die über ihre Arbeit im Unternehmen berichten (32,0 %)

Job-Interview: Die No-Gos im Bewerbungsgespräch

"Welche Verhaltensweisen deiner Gesprächspartner führen dazu, dass du ein mögliches Jobangebot nicht annimmst?"

➤ Meine Gesprächspartner können nicht richtig erklären, worin mein Job genau besteht. (83,9 %)

➤ Meine Gesprächspartner geben mir das Gefühl der Unterlegenheit. (82,0 %)

➤ Meine Gesprächspartner drucksen beim Gehalt herum. (78,2 %)

➤ Meine Gesprächspartner reden nur über sich selbst und sind an mir nicht oder kaum interessiert. (73,0 %)

➤ Meine Gesprächspartner reagieren ausweichend, wenn ich sie auf schlechte Bewertungen als Arbeitgeber im Internet anspreche. (59,4 %)

Onboarding: "Ghosting" und "Flucht während der Probezeit"

Laut der Studie hat mehr als jeder Zehnte schon vor Stellenantritt einen unterschriebenen Vertrag wieder gekündigt – oder ist einfach nicht erschienen (neuerdings "Ghosting" genannt).

Häufigster Grund mit 41,3 % ist ein besseres Jobangebot. Mit 20,6 % folgen private Lebensumstände wie Umzug oder die Notwendigkeit, Angehörige zu pflegen.

Völlig machtlos seien Arbeitgeber jedoch nicht: 45,0 % derer, die eine Stelle nicht angetreten oder vorzeitig gekündigt hatten, gaben an, der Arbeitgeber hätte den Absprung verhindern können, wenn die Führungskraft frühzeitig Kontakt aufgenommen hätte. Ebenfalls hilfreich: regelmäßige Infos per Mail sowie Veranstaltungen für "Neue".

Die ersten Monate in einem neuen Job werden immer mehr zur "Probezeit für Arbeitgeber". Jeder fünfte Befragte hat demnach einen Job bereits während der ersten 100 Tage gekündigt. Insgesamt hat sich der Anteil innerhalb des Studien-Designs seit 2018 fast verdoppelt.

Die Softgarden-Untersuchung geht davon aus, dass mittlerweile mehr als jeder dritte Neueinsteiger ein potenzieller "Wackelkandidat" ist. Dabei unterscheiden sich diese jedoch deutlich hinsichtlich des Bildungsgrades: Unter denen, die in den ersten 100 Tagen kündigten, sind deutlich mehr Personen mit Haupt- oder Realschulabschluss (30,8 %) als Akademiker*innen (16,8 %).

"Kündigung während der ersten 100 Tage: Was waren die Gründe?"

➤ Der Job entsprach überhaupt nicht den Versprechungen, die mir in der Bewerbungsphase gemacht wurden. (70,5 %)

➤ Unfähige oder unsympathische Führungskraft (66,6 %)

➤ Es gab kein Programm und keinen Plan zur Einarbeitung. (56,7 %)

➤ Ich wurde schon früh für Dinge verantwortlich gemacht, die ich aufgrund der kurzen Zeit im Unternehmen gar nicht stemmen konnte. (49,4 %)

➤ Zu hoher Workload (40,4 %)

Candidate Experience: Die 8-Punkte-Checkliste für Arbeitgeber

Um Kandidaten*innen zu überzeugen, empfiehlt Softgarden zusammenfassend unter anderem die folgenden Punkte:

1. Remote-Angebote ausbauen und offensiv kommunizieren.

2. Online-Kommunikation für kleine Bildschirme konzipieren (Smartphone-Recherche).

3. SEO-Strategie nutzen und umsetzen, um als Arbeitgeber mit seinen Jobangeboten in der unbezahlten Google-Suche sichtbar zu sein.

4. Geschwindigkeit der Recruiting-Prozesse erhöhen (Bewerber*innen werden immer ungeduldiger). 

5. Sich vom klassischen Anschreiben verabschieden.

6. Stellenanzeigen optimieren: Fakten und aussagekräftige Informationen (Gehaltsangaben, Arbeitgeberbewertungen) statt Buzzword-Bingo und hohle Phrasen. Arbeitskultur und Job-Alltag transparent und anschaulich beschreiben.

7. In der Bewerbungsphase realistisch über den Job und sich selbst als Arbeitgeber informieren.

8. Onboarding als Teil des Recruitings begreifen und gezielt verbessern. Führungskräfte sind hier besonders gefordert: Sie sollten für ein erfolgreiches Onboarding sensibilisiert werden und dieses proaktiv angehen – schon nach der Vertragsunterschrift.

Candidate Experience 2023: Arbeitgeber-Arroganz und schöner Schein haben ausgedient

Vorbei die Zeiten, als Arbeitgeber vom vermeintlich hohen Thron aus Bewerber*innen als Bittsteller behandeln konnten: 2023 herrscht angesichts des sich verschärfenden Fachkräftemangels ein Arbeitnehmermarkt. 

Dabei gelten die Kommunikationsregeln, die auch sonst im Zwischenmenschlichen gewünscht sind: Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Interesse und Respekt. Dann klappt's auch mit den Wunschkandidaten*innen.

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