CSRD 2024: Wie kann Software Unternehmen nachhaltiger machen?

Der IT-Branchenverband Bitkom veröffentlichte 2023 ein Whitepaper mit dem Titel "Nachhaltigkeit im Kontext von Business Software". Angesichts gesetzlich vorgeschriebener Klimaziele und der bald greifenden "Corporate Sustainability Reporting Directive" (CSRD) ein gleichermaßen interessantes wie akutes Thema. Ich habe einige spannende Erkenntnisse für euch zusammengefasst.


Symbolbild "Nachhaltigkeit im Kontext von Business Software"
Dieses Bild erstellte das KI-Tool "Craiyon".

Wer hat das Whitepaper zum Thema Software & Nachhaltigkeit verfasst?

Der Branchenverband Bitkom vertritt rund 2.000 Mitgliedsunternehmen aus der digitalen Wirtschaft, darunter 1.000 Mittelständler, über 500 Start-ups und nahezu alle Global Player. 

82 Prozent der im Bitkom engagierten Unternehmen haben ihren Hauptsitz in Deutschland.
 

Was bedeutet Nachhaltigkeit im wirtschaftlichen Kontext?

Das Whitepaper definiert den Begriff Nachhaltigkeit wie folgt:

Eine nachhaltige Entwicklung wird den Bedürfnissen der heutigen Generation gerecht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen.

Im wirtschaftlichen Kontext heißt das:

Der Sektor Industrie als zweitgrößter Verursacher von Treibhausgas-Emissionen (nach dem Sektor Energiewirtschaft und vor dem Sektor Verkehr) muss sich neu positionieren.

Vorstellbar sind laut dem Bitkom-Whitepaper zwei Szenarien: 

1. Die einfache Entkopplung: Traditionelles Wirtschaftswachstum wird von ressourcenintensiven Prozessen entkoppelt – folglich beibehalten, aber ressourcenschonend ausgerichtet.

2. Die doppelte Entkopplung: Erstens wird Wirtschaftswachstum vom Umweltverbrauch gelöst (durch mehr Öko-Effizienz dank technologischen Innovationen). Zweitens wird Lebensqualität von ökonomisch-materiellem Wachstum gelöst (durch veränderte, umweltschonendere Konsum-Muster und Lebensstile, z. B. bei Ernährung und Mobilität).

Wie die Digitalisierung den CO₂-Ausstoß verringert

Laut Bitkom hilft eine moderate Digitalisierung Deutschland dabei, bis 2030 rund 103 Megatonnen CO₂ einzusparen. 

Einkalkulieren müsse man jedoch denjenigen CO₂-Ausstoß, den digitale Technologien selbst verursachen: Dabei läge der Netto-Effekt aber immer noch bei einer Einsparung von 85 Megatonnen.

Eine beschleunigte Digitalisierung würde eine deutlich größere CO₂-Reduktion mit sich bringen: Hier seien 152 Megatonnen denkbar.

Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD): Was gilt wann?

Wikipedia definiert die CSRD wie folgt:

"Mit der Richtlinie (EU) 2022/2464 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2022 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 und der Richtlinien 2004/109/EG, 2006/43/EG und 2013/34/EU hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, verpflichtet die Europäische Kommission Unternehmen zur Veröffentlichung von Informationen zur Nachhaltigkeit ihrer Geschäftstätigkeit."

Offenlegen sollen Unternehmen folgende Informationen mit Nachhaltigkeitsbezug:

➤ Angaben zu den sechs Umweltzielen der EU: 

  1. Klimaschutz
  2. Anpassung an den Klimawandel
  3. Wasser- und Meeres-Ressourcen
  4. Kreislaufwirtschaft
  5. Umweltverschmutzung
  6. biologische Vielfalt und Ökosysteme

➤ Angaben zu gesellschaftlichen Aspekten (Social)

➤ Angaben zu Aspekten der Unternehmensführung (Governance)

Das Umweltbundesamt sagt: Die CSRD wird parallel zu bereits betroffenen Unternehmen ausgeweitet auf alle bilanzrechtlich großen, haftungsbeschränkten Unternehmen sowie alle börsennotierten Unternehmen. Börsennotierte Kleinstunternehmen sind ausgenommen. 

Die CSRD gilt ...

➤ ab dem Geschäftsjahr 2024 für Unternehmen, die bisher zur Abgabe einer nichtfinanziellen Erklärung (Non-financial Reporting Directive, NFRD) verpflichtet waren,

➤ ab dem Geschäftsjahr 2025 für alle weiteren großen Unternehmen,

➤ ab dem Geschäftsjahr 2026 für börsennotierte kleine und mittlere Unternehmen (ausgenommen Kleinstunternehmen), kleine und nicht komplexe Kreditinstitute und firmeneigene Versicherungsunternehmen,

➤ ab dem Geschäftsjahr 2028 für Unternehmen aus Drittländern mit einem Nettoumsatz von über 150 Mio. Euro in der EU, wenn sie mindestens ein Tochterunternehmen oder eine Zweigniederlassung in der EU haben und bestimmte Schwellenwerte überschreiten.

Es besteht also Handlungsbedarf: Können Softwarelösungen Unternehmen dabei helfen, diese Berichtspflichten umzusetzen und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen?

Warum Nachhaltigkeit in Unternehmen bislang schwer messbar war

Laut Bitkom fehlt in vielen Unternehmen eine Lebenszyklus-Analyse des Produkt-Portfolios (Lifecycle Assessment, auch Umwelt- oder Ökobilanz genannt): Sie untersucht die möglichen Umweltauswirkungen und die Energiebilanz von Produkten und Dienstleistungen während ihres gesamten Lebensweges. 

Hinzu kommt: Viele Unternehmen wissen nicht, wie ihre Kunden die Produkte verwenden. Und: Um den Lebenszyklus datenbasiert untersuchen zu können, fehlt meist die digitale Infrastruktur. Darüber hinaus sind auch die vielen verschiedenen Standards bei der CO₂-Berechnung problematisch.

Eine automatisierte Berechnung mithilfe von Softwarelösungen würde vieles vereinfachen.

CO₂-Messungen in Unternehmen: Software & Standards

Laut dem Bitkom-Whitepaper erfasst datengestützte Bilanzierungs-Software den gesamten CO₂-Ausstoß eines Unternehmens. Ähnlich hilfreich seien Energiemanagement-Systeme (EMS): Sie erfassen Energieflüsse und Energieträger im Unternehmen. Daraus abgeleitete, datenbasierte Maßnahmen verringern Verbräuche, Emissionen und Kosten.

Um Emissionen bilanzieren zu können, braucht es Standards. Häufig eingesetzt wird laut dem Whitepaper das "Greenhouse Gas Protocol" (GHG): Es wird vom World Resources Institute (WRI) und dem World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) koordiniert. Auch die ISO-Norm 14064 baut darauf auf.

Effiziente CO₂-Bilanzierung dank Datenintegration

Um CO₂-Emissionen bilanzieren zu können, braucht es viele unterschiedliche Daten. Diese müssen den Emissions-Verursachern zugeordnet werden. Das betrifft interne Emissions-Verursacher (z. B. eigener Stromverbrauch) und externe (z. B. Emissionen durch eingekaufte Waren). 

Zentral für die Datenauswertung ist das ERP-System: Es umfasst die gesamte Auftragsabwicklung. Integriert man zudem noch das Manufacturing Execution System (MES), werden zusätzlich Maschinen- und Betriebsdaten berücksichtigt.  

Auch über CRM-Systeme kann der CO₂-Fußabdruck verringert werden: Mit einer Touren-Optimierung können Unternehmen ihre Kunden-Besuchstermine effizient planen und unnötige Fahrten vermeiden.

Was bedeutet das für Business-Software-Hersteller?

Anbieter müssen ihre Software-Produkte CSRD-fähig machen und Schnittstellen öffnen. Ein Schnellcheck meinerseits ergab, dass die vier größten Business-Softwareanbieter zumindest das Buzzword "CSRD" bereits auf ihren Webseiten haben (Microsoft, Oracle, SAP, Salesforce). 

Auf capterra.com (etablierter Online-Marktplatz für Business-Software) findet ihr eine Übersicht zu schlüsselfertigen Lösungen aus dem Bereich "Nachhaltigkeitssoftware".

Fazit: Nachhaltigkeit im Kontext von Business-Software

Es steht nicht einiges, sondern alles auf dem Spiel: Machen wir weiter wie bisher, wird uns der Planet von seiner Oberfläche niesen. 

Wachstum und Innovation sind nachhaltig möglich. Unternehmen sollten die CSRD nicht als lästige Pflicht sehen, sondern als Chance und überlebenswichtige Notwendigkeit.

Quelle:

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Kommentare

Rainer Feldbrügge hat gesagt…
Mich hat beim Lesen Ihres Newsletters über "Nachhaltigkeit" und "Software" gehookt.

Aber beim Lesen des Beitrags finde ich wenig zur Nachhaltigkeit der Software. Diesen Aspekt hätte ich von der Bitcom erwartet:
- Wie lange hält der Lebenszyklus einer Software?
- Wie resilient ist eine Software gegenüber technischen Neuerungen?
- Wie offen ist eine Software in der gesamten IT-Architektur des Unternehmens?
- Wie abhängig ist die Nutzung der Software von einem Anbieter?

Sind diese Fragen negativ bewertet, heißt das: Das Unternehmen ist in der Gefahr, die Software häufig auswechseln oder aufwändig anpassen zu müssen. Alles andere als
nachhaltig.

Hat schon mal jemand den CO2-Fußabdruck einer ERP-Migration im Vergleich zu einer geschmeidig laufenden Anwendungslandschaft gemessen?
Mathias Sauermann hat gesagt…
Hallo Herr Feldbrügge,

vielen Dank für Ihren Kommentar.

Mein Beitrag deckt nur einen Ausschnitt der Gesamtstudie ab. Unter dem Beitrag ist diese verlinkt: Vielleicht werden Ihre Fragen dort beantwortet. Ein Blick lohnt sich.

Viele Grüße
Mathias Sauermann

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