Null-Klick-Suchen: Wie viele Besucher bringt Google wirklich? [Teil 2]

Null-Klick-Suchen (Zero Click Searches) treten auf, wenn Nutzer*innen googeln, dann aber keinen der angezeigten Suchtreffer klicken. Eine 2024er-Studie will nun zeigen, wie häufig das angeblich vorkommt. Offen gesagt: Euer Blogger bezweifelt angesichts der Erhebungsmethode die Aussagekraft der genannten Zahlen.


Null-Klick-Suchen: Angeblich enden 60 % aller Google-Suchfanfragen in der EU und den USA ohne Klick.
Null-Klick-Suchen: Angeblich enden 60 % aller Google-Suchanfragen in der EU und den USA, ohne dass ein Suchtreffer geklickt wird.

Teil 1 meines Blog-Specials (Link am Beitragsende) zum Thema Null-Klick-Suchen fokussierte folgende Themen:

  • Zero Click Searches: Warum klicken User keinen einzigen Suchtreffer?
  • Google-Features, die Null-Klick-Suchen wahrscheinlicher machen: 
    • Featured Snippets
    • Direct-Answer-Boxen
    • Weitere-Fragen-Menüs 
    • Knowledge Panels
    • Local Packs
    • AI Overviews
  • Warum beantwortet Google manche Suchanfragen direkt? 

Dieser zweite Teil meines Blog-Specials fragt nun, wie oft diese Null-Klick-Suchen in der Google-Suche (EU und USA) vorkommen.

Studie zu Null-Klick-Suchen: Wer untersuchte was?

Rand Fishkin (*1979 in Seattle) ist ein renommierter SEO-Influencer aus den USA. Auf dem Blog seiner Website sparktoro.com veröffentlichte er Anfang Juli 2024 einige spannende Zahlen zum Thema Null-Klick-Suchen (Zero Click Searches).

➤ Die Ausgangsfrage seiner Analyse: Wie viele Suchtreffer-Klicks gibt es pro 1000 Google-Suchen – in den USA und in Europa?

Um diese Daten erheben zu können, nutzte Fishkin die Tools des US-Softwareanbieters Datos, der wiederum dem SEO-Softwareanbieter Semrush (ebenfalls USA) gehört. Laut Eigenaussage Fishkins sind Datos-Lösungen auch Teil seiner eigenen gewerblichen Dienstleistung SparkToro.

Fishkin schreibt, Datos habe Zugang zum Surfverhalten (Desktop und mobil) von Millionen User*innen weltweit. Das Unternehmen nutze dazu ein "clickstream panel" bestehend aus Millionen Teilnehmer*innen (panelists) – sowohl auf Desktop-/Laptop-Rechnern als auch auf Android-Smartphones. iPhone-Nutzer*innen dagegen seien nicht berücksichtigt worden.

Ein Clickstream ist eine Abfolge von Seitenaufrufen. Ein Panel ist eine Personengruppe, die für Befragungen und Beobachtungen verfügbar ist.

Bereits bei dieser Info beschlichen mich Zweifel an der Erhebungsmethode. Fakt ist: Nur Google selbst weiß, wie viele User*innen wie oft welche Suchtreffer klicken. Die EU hat rund 450 Millionen Einwohner*innen, die USA zirka 335 Millionen: Um statistisch aussagekräftige Daten zum Klickverhalten zu bekommen, bräuchte es sehr umfangreiche und soziodemografisch ausbalancierte Panels.

Anders ausgedrückt: Das Risiko, verzerrte Daten zu bekommen, halte ich für sehr hoch.  

➤ Deshalb fragte ich bei Rand per Mail nach, wie diese Datenerhebung durch Datos tatsächlich abläuft. Seine Antwort:

"Hi Mathias – Datos themselves would be the best ones to answer technical questions about their panel, but my understanding is that the panelists use software on their desktop and mobile devices that captures URLs visited and timestamps, [...]. That data is anonymous, [...], but in aggregation it allows for studies like the one we did to analyze what happens after a search is made in Google."

Zu Deutsch: "Hallo Mathias – Datos selbst wäre am besten in der Lage, technische Fragen zu ihrem Panel zu beantworten, aber soweit ich weiß, verwenden die Panelisten Software auf ihren Desktop- und Mobilgeräten, die besuchte URLs und Zeitstempel erfasst, [...]. Diese Daten sind anonym, [...], aber in ihrer Gesamtheit ermöglichen sie Studien wie die, die wir durchgeführt haben, um zu analysieren, was nach einer Suche in Google passiert."

➤ Also fragte ich via Mail bei Datos direkt nach – bekam aber leider nie eine Antwort.

Halten wir fest: Wie statistisch aussagekräftig solche Untersuchungen ohne offizielle Google-Zahlen sein können, bleibt fraglich.

Null-Klick-Suchen in Google: So oft kommen sie angeblich vor

Rand Fishkin fasst die Ergebnisse seiner Untersuchung bereits in der Überschrift seines Beitrags zusammen:

"For every 1,000 EU Google Searches, only 374 clicks go to the Open Web. In the US, it's 360."

Zu Deutsch: "Von 1.000 Google-Suchanfragen in der EU gehen nur 374 Klicks ins Open Web. In den USA sind es 360."

Unter "Open Web" versteht Fishkin "non-Google-owned, non-Google-ad-paying properties", also alle Suchtreffer, die weder auf Google-eigene Webseiten (u. a. YouTube, Maps, etc.) verlinken, noch Werbeanzeigen (Google Ads) sind.

Angebliche Verteilung von Suchtrefferklicks in der US-Google-Suche

➤ Ohne Klick endeten in der US-Google-Suche laut Fishkin 58,5 Prozent der mobilen Web- und Desktop-Suchen.

➤ Die verbleibenden 41,5 Prozent der Suchanfragen in der US-Google-Suche mündeten in Klicks:

  • davon 70,5 % als Klicks auf unbezahlte (organische) Suchtreffer (Open Web),
  • 28,5 % als Klicks auf Google-Angebote (YouTube, Maps, etc.),
  • 1,0 % als Klicks auf Google-Ads (bezahlte Suche).

In absoluten Zahlen spricht Fishkin von 360 Klicks bei 1000 Google-Suchanfragen. Geht man von den Prozentangaben aus, müssten es aber 293 Klicks sein (70,5 % von 415). Auf meine Rückfrage antwortete Rand:

"It's not on the graphic, but is noted in the post that searchers often click more than one result. Thus, the multiplier of 1.23 clicks per search-that-includes-a-click is how the final 360 number is reached."

Zu Deutsch: "Es steht nicht in der Grafik, aber in dem Beitrag wird darauf hingewiesen, dass Suchende oft mehr als ein Ergebnis anklicken. Der Multiplikator von 1,23 Klicks pro Suche, die einen Klick einschließt, führt also zu der endgültigen Zahl von 360." [293 x 1,23 = 360,39. Anm. eures Bloggers] 

Eine vergleichbare Zero-Click-Studie für die USA gibt es aus dem Jahr 2022: Sie wurde von dem bereits erwähnten SEO-Tool-Anbieter Semrush durchgeführt, basierend auf einer Probe aus 20.000 User*innen. Das Ergebnis weicht massiv von Fishkins Zahlen ab: 25,6 % Zero Clicks in der Desktop-Suche, 17,3 % Zero Clicks in der mobilen Suche.

Auch hier stelle ich die statistische Aussagekraft der Erhebungsmethode in Frage: Können 20.000 User*innen (zumal ohne Info über deren soziodemografische Verteilung) für das Google-Verhalten von Millionen US-Amerikaner*innen repräsentativ sein?

Kehren wir zu Fishkins Untersuchung zurück und blicken auf die Zahlen für die EU-Google-Suche:

Angebliche Verteilung von Suchtrefferklicks in der EU-Google-Suche

➤ Ohne Klick endeten in der EU-Google-Suche laut Fishkin 59,7 Prozent der mobilen Web- und Desktop-Suchen. 

➤ Die verbleibenden 40,3 Prozent der Suchanfragen in der EU-Google-Suche mündeten in Klicks:

  • davon 74,6 % als Klicks auf unbezahlte (organische) Suchtreffer,
  • 24 % als Klicks auf Google-Angebote (YouTube, Maps, etc.),
  • 1,4 % als Klicks auf Google-Ads (bezahlte Suche).

Auch hier ergibt sich die Abweichung (absolut werden 374 Klicks ins Open Web bei 1000 Suchanfragen genannt, prozentual wären es aber 74,6 % von 403, also 301 Klicks) durch den Multiplikator mehrfacher Suchtrefferklicks einzelner User*innen.

Geografische Unklarheit: Fishkin spricht bezüglich der Ergebnisse für die europäische Google-Suche teils von "EU Google searches", dann wieder von "Europeans". Auf meine Nachfrage per Mail, ob sich seine Untersuchung auf die 27 EU-Mitgliedstaaten bezieht oder auf alle (rund) 47 europäischen Länder, antwortete er:

"I believe it was just EU member states (the 27 countries), and that the panel includes folks from all of those."

Zu Deutsch: "Ich glaube, es waren nur die EU-Mitgliedstaaten (die 27 Länder), und das Panel umfasst Leute aus allen diesen Ländern."

Erneut muss euer Blogger rummäkeln: Ich bin ungern den Spielverderber, aber "glauben" und "wissen" sind vor einem empirisch-wissenschaftlichen Kontext grundverschiedene Dinge.

Null-Klick-Studie Europa: Welche Rolle spielt das "Gesetz der digitalen Märkte" (Digital Markets Act)?

Fishkins Untersuchung zeigt für die EU-Google-Suche verglichen mit der US-Suche, dass User*innen aus der EU seltener Google-eigene Web-Angebote klicken.

Möglicher Grund: Google-eigene Web-Angebote werden in der EU-Suche seltener angezeigt. Fishkin nennt das "Gesetz über digitale Märkte" (Digital Markets Act) als Ursache: 

➤ Laut Wikipedia handelt es sich um "[...] eine Verordnung der Europäischen Union, die die digitale Wirtschaft fairer und wettbewerbsfähiger machen soll. Das Gesetz wurde am 6. Juli 2022 vom EU-Parlament verabschiedet und am 12. Oktober 2022 [...] verkündet."

Weiter heißt es bei Wikipedia:

➤ "Das Gesetz über digitale Märkte soll sicherstellen, dass digitale Märkte fair und bestreitbar sind, d. h. dass neue Marktteilnehmer in den Markt eintreten können und damit Wettbewerbsdruck auf etablierte Teilnehmer ausüben."

Im Visier sind dabei marktbeherrschende US- sowie chinesische Unternehmen als sogenannte Gatekeeper (zu Deutsch Torwächter), darunter auch Google: 

➤ "Das Gesetz verpflichtet Torwächter, strenge Auflagen zu erfüllen. Torwächter dürfen zum Beispiel keine Daten aus unterschiedlichen Diensten kombinieren. [...], und es ist Torwächtern verboten, eigene Produkte etwa bei Online-Suchen gegenüber Drittangeboten zu bevorzugen. [...]. Die Nichteinhaltung kann zu Sanktionen führen, darunter Geldbußen von bis zu 20 % des weltweiten Jahresumsatzes."

Im Detail:

➤ "Derzeit sind Vierundzwanzig [sic] Dienste der sieben Unternehmen Alphabet [Googles Mutterkonzern – Anm. eures Bloggers], Amazon, Apple, Booking, ByteDance [TikTok-Anbieter], Meta [Facebooks- und Instagrams-Mutterkonzern], und Microsoft von der EU-Kommission als 'zentrale Plattformdienste' bzw. als Torwächter eingestuft."

Unterm Strich: Es ist möglich, dass es in der EU-Google-Suche zu weniger Klicks auf Google-eigene Angebote kommt – weil der Suchmaschinenbetreiber durch den Digital Markets Act gezwungen ist, seine eigenen Angebote weniger stark in die Suchergebnisse zu integrieren.

Wie aussagekräftig sind die Zahlen zum Thema Null-Klick-Suche?

Ich wiederhole mich gerne: Sämtliche Studien zum Thema "Klickverhalten in der Google-Suchen", die nicht von Google selbst stammen, müssen wir mit Vorsicht genießen. Nur der Suchmaschinenriese selbst kann statistisch aussagekräftig erheben, ...

  • ... wie viele Google-Suchanfragen ohne Klick enden
  • bzw. wie oft seine eigenen Angebote geklickt werden.

Dass Google zu solchen Zahlen schweigt, sollte nicht verwundern: Sie zu veröffentlichen, würde eine Flut an rechtlichen Fragen und Kritik auslösen. 

Beide genannten externen Studien schwächeln in meinen Augen bereits bei ihrer jeweiligen Erhebungsmethode: 

➤ Ob 20.000 Nutzer*innen (Semrush) für das Google-Nutzungsverhalten in den USA repräsentativ sein können, wage ich zu bezweifeln (zumal keine Angaben zu der soziodemografischen Verteilung gemacht werden). 

➤ Und auf welche wundersame Weise ein Softwareanbieter (Datos) Zugriff auf Millionen (anonymisierte) Nutzer-Daten zum Klickverhalten in der Google-Suche haben soll, ist mir schleierhaft.

Komplett ins Reich der Fabeln verdammen will ich beide Studien aber auch nicht. Dass Google viele Suchanfragen direkt beantwortet bzw. seine eigenen Dienste "vorteilhaft" in seiner Suche platziert, steht außer Frage. Null-Klick-Suchen sind ein Faktum – fraglich bleibt aber, in welchem Ausmaß.

Quellen:

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