Die Tiefen des Unbewussten: Wie entscheiden Kunden wirklich? (Teil 2)

Der Mensch, das unbewusst handelnde Wesen: Wir sind meist weit davon entfernt, uns rational-durchdacht für oder gegen etwas zu entscheiden. Welche unbewussten Dynamiken stattdessen in unserer Tiefe herrschen und wie das Marketing dies nutzen kann, erfahrt ihr in diesem Beitrag.


Unbewusste Entscheidungsprozesse
(Entscheidung / Pixabay-Lizenz)

Das "Limbic-Modell" des Psychologen Hans-Georg Häusel (*1951 in Hechingen, Baden-Württemberg) will unbewusste Prozesse in der Kunden-Psyche aufdecken. Der erste Teil dieses Beitrages beleuchtete zwei Fragen:

  • Warum ist das Unbewusste so mächtig?
  • Warum haben Menschen Emotionen?

Es wurde deutlich, dass wir mindestens 70-80 Prozent unserer Entscheidungen unbewusst fällen – und unsere Psyche auch im 21. Jahrhundert einem unbewussten Basis-Programm folgt, welches hauptsächlich zwei Ziele verfolgt: überleben und fortpflanzen.

Jetzt soll es darum gehen, welche Emotions-Systeme es laut Häusel in unserem Oberstübchen gibt – und wie sich diese für ein erfolgreiches Marketing nutzen lassen.

Die 6 Emotions-Systeme des Menschen

Häusel definiert folgende Bereiche in unserer Psyche, die uns maßgeblich beeinflussen: 

1. Balance: Wir wollen uns sicher fühlen und Risiken vermeiden.

2. Dominanz: Wir wollen uns durchsetzen, Konkurrenten verdrängen, unseren Status bewahren sowie mächtig und selbstbestimmt sein.

3. Stimulanz: Wir wollen Neues entdecken und lernen.

4. Bindung & Fürsorge: Wir wollen uns geborgen fühlen, da wir ohne Gruppe nicht überleben würden.

5. Sexualität: Wir wollen uns fortpflanzen. Das männliche und das weibliche Sexualsystem unterscheiden sich dabei laut Häusel deutlich (Gehirnstrukturen, Nervenbotenstoffen, Hormone).

6. Appetit/Ekel: Wir wollen uns guter Nahrung nähern und schädliche Umweltstoffe meiden.

Für jedes dieser Emotions-Systeme gilt laut Häusel: Es gibt eine belohnende (lustvolle) und eine bestrafende (lustlose) Seite. Am Beispiel des Systems "Bindung/Fürsorge": Liebe und Geborgenheit wirken belohnend, dagegen wirken Verlassenheitsgefühle, Trauer und Scham bestrafend.

Sind diese 6 Emotions-Syteme für das Marketing nutzbar?

In den Augen eures Bloggers eindeutig ja. Anhand von harten Fakten sind Produkte und Services immer schwerer unterscheidbar, was es schwierig macht, faktisch greifbare Alleinstellungsmerkmale herauszuarbeiten. Gelingt es einem Unternehmen, seine Marke gemäß den oben genannten Emotions-Systemen positiv aufzuladen, kann dies der entscheidende Wettbewerbsvorteil sein.

Ein Paradebeispiel ist die Marke Apple: Rational betrachtet können viele Mittelklasse-Smartphones (250-500 Euro) problemlos mit einem iPhone 12 (je nach Konfiguration ca. 900 Euro) mithalten. Oder das Apple-Gerät sogar toppen.

Und dennoch finden sich da draußen Millionen Menschen, welche die "Apple-Experience" gegen nichts in der Welt eintauschen würden. Rational-durchdacht handelt hier keiner mehr, hier entscheidet das Unbewusste…

...vielleicht über das Emotions-System "Dominanz" (Status bewahren), vielleicht auch über das System "Balance" (Risiken vermeiden), eventuell auch über das System "Bindung & Fürsorge" (Teil einer Community sein).

Was einer Marke wie Apple jedenfalls (noch) gelingt: Sie lässt ihre Zielgruppe unbewusst glauben, dass der Kauf eines Apple-Produktes evolutionär vorteilhaft sei.

Das Limbic-System nach Hans-Georg Häusel

Anhand der vorab genannten Erkenntnisse definierte der Hirnforscher sieben sogenannte "Limbic-Personentypen", die ich hier nur anreißen möchte

➤ Harmoniser(in): Diese Menschen orientieren sich stark am Sozialen und der Familie. Sie wollen sich geborgen fühlen und interessieren sich weniger für Karriere und Status. 

➤ Offene(r): Diese Menschen sind tolerant und offen für Neues. Sie suchen den "sanften Genuss".

➤ Hedonist(in): Sie suchen das Neue, sind sehr individualistisch und spontan.

➤ Abenteurer(in): Diese Menschen sind risikofreudig und impulsiv.

➤ Performer(in): Sie sind sehr leistungsorientiert, ehrgeizig und statusbewusst.

➤ Disziplinierte(r): Diese Personen sind sehr pflichtbewusst und detailverliebt. Konsum interessiert sie weniger.

➤ Traditionalist(in): Sie wünschen sich Ordnung und Sicherheit, die Zukunft interessiert sie weniger.

Taugen die "Limbic-Personentypen", um Zielgruppen zu definieren?

In den Augen eures Bloggers leider nur eingeschränkt bis gar nicht: Menschen sind zu einzigartig und verschieden, als dass sie sich psychisch derart grob klassifizieren lassen.

➤ Im B2C-Bereich (Privatpersonen als Zielgruppe) kann der Limbic-Ansatz meiner Meinung nach teils funktionieren – je nach Branche und Produkt/Service.

➤ Spätestens im B2B-Bereich (Geschäftskunden als Zielgruppe) wird es dann aber schnell irreführend: Ich wage zu behaupten, dass unter Business-Entscheider(innen) ausnahmslos alles vertreten ist, was unter den sieben Limbic-Personentypen genannt wird – auch innerhalb derselben Branche.

Zum Beispiel davon auszugehen, dass alle IT-Leiter mittelständischer Industrieunternehmen "abenteuerlustige Performer" oder "disziplinierte Traditionalisten" sind, kann ganz schnell an der Realität vorbeizielen. Richte ich mein Marketing derart eindimensional aus, werde ich einige Vertreter/-innen meiner Zielgruppe sicher nicht erreichen.

Anders sieht es bei den weiter oben genannten sechs Emotions-Systemen aus (Balance, Dominanz, Stimulanz, Bindung/Fürsorge, Sexualität, Appetit/Ekel), die auf mich universeller wirken und somit auch praktikabler für eine erfolgversprechende Marketing-Strategie...

...wohlgemerkt richtig angewandt, denn spätestens wenn es diskriminierend und stereotypisierend wird, geht der Schuss nach hinten los (wovon regelmäßige Marketing-Kampagnen-Fails leider immer wieder zeugen).

Die Macht des Unbewussten: 4 Hebel für ein erfolgreiches Marketing

Soweit unser Tauchgang in die Tiefen des Unbewussten. Unsere Ausgangs-Info war: Entscheidungen fallen zu mindestens 70-80 Prozent unbewusst. In der Summe entscheidet, was unter der Oberfläche passiert: 

1. die oben genannten Emotions-Systeme (Balance, Dominanz, Stimulanz, Bindung/Fürsorge, Sexualität, Appetit/Ekel),

2. kognitive Verzerrungen bei Entscheidungen,

3. die richtige Marken-Kommunikation,

4.
und die 6 Prinzipien des Ja-Sagens.

Ich wünsche euch viel Erfolg beim Mixen. ;-)

Quelle & Link-Tipp:

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