Unternehmen 4.0: Erst die Prozesse, dann die Digitalisierung

Arbeitsabläufe in einem Unternehmen sind dann optimal, wenn sie so wertschöpfend wie möglich sind. Warum erst optimierte Prozesse eine erfolgreiche digitale Transformation ermöglichen, lest ihr hier.


Prozessoptimierung und Digitalisierung
(Transformation unter CC0 1.0)

"Wenn Sie einen Sch**ß-Prozess digitalisieren, dann haben Sie einen digitalen Sch**ß-Prozess"
...sagte einst Thorsten Dirks, ehemals Vorstand Telefónica Deutschland, jetzt Vorstand Lufthansa. Und recht hat er: Ist ein Prozess schlecht, wird er nicht dadurch besser, dass ich ihn mitsamt seiner Mängel digital abbilde.

Klären wir zunächst einige Grundbegriffe:

Was ist Wertschöpfung?

Die traditionelle Betriebswirtschaftslehre sagt: Wer Wert schöpfen will, muss die Qualität eines Produktes/Services in einen Geldbetrag umwandeln, der höher ist als die Bezahlung der fremden Materialien und Leistungen, die er in diesem Prozess verbraucht. Oder kurz: Wertschöpfung = Gesamtleistung - Vorleistung.

Im Digital-Zeitalter möchte ich diese strikt monetäre Sichtweise aufweichen. Zwei Beispiele: Zalando und Spotify bieten etwas, das für Millionen User begehrenswert ist – und somit einen Wert darstellt. Tatsächlich aber schreiben beide Unternehmen immer wieder rote Zahlen. Nach obiger Definition würden sie nicht wertschöpfend arbeiten.

Definieren wir Wertschöpfung deshalb folgendermaßen: Extern Wert zu schöpfen bedeutet, Begehrlichkeiten bei einer Zielgruppe zu wecken. Der Kunde muss sich von dem Angebot einen Mehrwert versprechen, auf den er nicht verzichten möchte.

Intern Wert zu schöpfen bedeutet, einen unternehmensinternen Nutzen zu schaffen, der das Fertigen eines Produktes oder das Erbringen einer Leistung entscheidend unterstützt (und somit ebenfalls auf das Wohl des externen Kunden abzielt).

3 Arten der Wertschöpfung

1) Wertschöpfende Tätigkeiten (extern): Der Management-Theoretiker und US-Ökonom Michael E. Porter zählt zu den Primär-Aktivitäten der Wertkette u.a. Logistik, Produktion, Marketing/Vertrieb und Kundenservice.

2) Bedingt wertschöpfende Tätigkeiten (intern): Diese Sekundär-Aktivitäten sind nicht unmittelbar an Produktion oder Verkauf geknüpft, ermöglichen diese jedoch. Hierzu zählen unter anderem Einkauf, Technik, Personalwesen und Infrastruktur. 

3) Nicht wertschöpfende Tätigkeiten (extern und intern): Alle Arbeitsabläufe und Aktivitäten in einem Unternehmen, die keinen Wert schöpfen oder sogar Wert vernichten.

Wichtig: Ob ein Wert vorhanden ist oder nicht, bestimmt einzig und allein der Kunde. Objektive Kriterien gibt es nicht.

Was ist ein Geschäftsprozess?

Zwei gelungene Definitionen (kurz und lang) bietet Robert Freidinger in seinem Buch "Geschäftsprozessoptimierung für Dummies":

Kurz: Prozesse sind Arbeitsabläufe in Unternehmen.

Lang: Ein Prozess besteht aus einer Serie von wiederkehrenden Aktivitäten (Prozess-Schritten). Er wird durch einen definierten Input ausgelöst und liefert einen Output (Ergebnis) für den (externen oder internen) Kunden des Prozesses.

Was sind Geschäftsprozesse?
(Prozess unter CC0 1.0)


Konkreter wird das ILO-Prinzip:

Input: Dieser kommt von einem sogenannten Lieferanten (externer Kunde, anderes Unternehmen, anderer Prozess, Mitarbeiter, etc.).

Leistung: Falsches für falsche Empfänger zu tun, ist schlecht. Das Richtige für die Richtigen zu machen, ist gut.

Output: Das Ergebnis, welches (externe oder interne) Kunden als Wert empfinden.

Es können alle Prozesse optimiert werden, die standardisiert sind – sei es in der Produktion, im Backoffice, im Kundenservice, im Controlling, im Marketing, im Vertrieb oder im Personalwesen. Handelt es sich dagegen um einzelne, zeitlich begrenzte Arbeitsabläufe, verlassen wir die Prozessoptimierung und sind im Bereich des Projektmanagements.

Wann schwächeln Prozesse?

Eine Prozess-Schwachstelle entsteht, wenn Ressourcen verbraucht werden, ohne Wert zu erzeugen. Einige Beispiele:

➤ Ein Bearbeitungsstatus oder eine Information bleiben zu lange liegen.
➤ Mitarbeiter überbrücken Wartezeiten mit Tätigkeiten, die nicht wertschöpfend sind.
➤ Es kommt wiederholt zu Reparaturen und Redundanzen (überflüssiger Ressourcen-Einsatz).

Das japanische Muda

Wer sich näher mit dem Thema Prozessoptimierung beschäftigt, stößt auf das japanische Wort "Muda". Es wird häufig mit "Verschwendung" übersetzt, treffender wäre "Abwesenheit von Nutzen".

Jede Tätigkeit in einem Unternehmen, die Ressourcen verbraucht, ohne Wert zu schöpfen, ist "Muda". Die Lehre unterscheidet sieben Bereiche, in denen es typischerweise auftritt:
  • unnötige Materialbewegung
  • überflüssiges Lagern von Materialbeständen
  • unnötige körperliche Arbeitsbewegungen
  • überflüssige Wartezeiten
  • Über-Verarbeitung (mehr Arbeit als für den Auftrag erforderlich)
  • Überproduktion (es werden nicht benötigte Erzeugnisse/Dienstleistungen bereitgestellt)
  • fehlerhafte Produkte

Und was hat das mit Digitalisierung zu tun?

Digitalisierung ist die wertschöpfende Transformation von Prozessen, Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen mithilfe moderner Informations- und Kommunikationstechnik.

Transformiere ich mangelhafte Prozesse mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnik, bleiben sie mangelhaft. Digitalisierung von wiederkehrenden Arbeitsabläufen bedeutet nicht automatisch, Nutzen zu stiften oder Wert zu schöpfen.

Ich kann ERP- und CRM-Softwarelösungen implementieren, meine IT in die Cloud wuchten oder Social-Collaboration-Tools anschaffen: Das alles wird nicht die oben genannten sieben Muda-Sünden verschwinden lassen, wenn sie in meinem Unternehmen vorhanden sind.

Gelingt es mir jedoch, meine Prozesse zu optimieren, dann wird auch die Digitalisierung vollends fruchten: Ich kann…
  • datenbasiert Kunden-Mehrwerte schaffen,
  • meine Zielgruppe zur richtigen Zeit über den richtigen Kanal mit dem richtigen Angebot ansprechen,
  • neue Geschäftsmodelle, Plattform-Ideen und Coopetition-Projekte erproben,
  • Innovationen anstreben
  • und meine interne und externe Kommunikation auf ein neues Level heben.
  • Kurzum: sicherstellen, dass ich auch morgen noch wettbewerbsfähig bin.
Das wiederum setzt neben einer Prozessoptimierung auch ein gelingendes Change Management voraus: Nur wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehrheitlich die digitale Transformation begrüßen und aktiv mitgestalten, wird sich Erfolg einstellen.

Fazit: Optimierte Prozesse ermöglichen eine erfolgreiche Digitalisierung

Digitale Transformation ausschließlich als den Übergang von analogen in digitale Zustände zu betrachten, ist fatal. Richtig verstanden ermöglicht es die Digitalisierung, Kunden maßgeblich an der Wertschöpfung teilhaben zu lassen. Die Plattform-Ökonomie hat dies perfektioniert.

Unternehmen wie Google oder Amazon wurden auch deshalb so erfolgreich, weil sie ihr gesamtes Tun (= all ihre Geschäftsprozesse) bedingungslos an folgende Frage knüpfen:

>> Was bringt das unseren Kunden? <<

Lasst es mich wissen: In welchem Verhältnis seht ihr Prozessoptimierung und Digitalisierung?

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