Zukunft der Google-Suche [Teil 4b]: Lassen KI-Antworten die Website-Besucherzahlen einbrechen?

2. Hälfte des 4. Teils meiner Artikelreihe zu "AI Overviews": KI-Antworten werden zum Standard-Feature in der Google-Suche. Werden User*innen noch Suchtreffer klicken, um Webseiten zu besuchen? Das hängt auch ab von der jeweiligen Suchabsicht. Wie sich diese "search intents" klassifizieren lassen, schilderte Teil 4a. In diesem Teil 4b schauen wir uns entlang der Suchanfragen-Klassen an, wie KI-Antworten das Klickverhalten in der Google-Suche verändern könnten.


AI Overviews: Mögliche Auswirkungen von KI-Antworten auf Suchtreffer-Klicks in der Google-Suche entlang der vier Suchanfragen-Klassen.
AI Overviews: Mögliche Auswirkungen von KI-Antworten auf Suchtreffer-Klicks in der Google-Suche entlang der vier Suchanfragen-Klassen.

Der erste Teil meiner Artikelreihe zur Zukunft der Google-Suche (Link am Beitragsende) umfasste folgende Punkte:

  • Google-Suche 2024: Vom Disruptor zum Disruptierten?
  • Die US-Medienresonanz zu "AI Overviews" Anfang Juni 2024
  • Googles "AI Overviews": Die Ängste der Medien

Der zweite Teil (Link am Beitragsende) betrachtete folgende Aspekte:

  • Googles Milliarden-Umsatz: So setzt er sich zusammen
  • Wie Google bislang Werbeflächen in seiner Suche platziert
  • Generative KI: Googles bislang größte Challenge
  • Wie wird Google in KI-Antworten Werbeflächen platzieren?

Der dritte Teil (Link am Beitragsende) analysierte folgende Themen:

  • Das "Innovator's Dilemma" nach Clayton M. Christensen
  • Warum Google 2024 in keinem "Innovator's Dilemma" steckt

Die erste Hälfte des vierten Teils (Link am Beitragsende) fokussierte folgende Fakten:

  • Search intent – Mit welcher Absicht googeln Menschen?
  • Die gängige Klassifikation von Suchanfragen durch SEO-Expert*innen
  • Googles offizielle Klassifikation von Suchanfragen

In dieser vorliegenden zweiten Hälfte des vierten Teils stelle ich nun Thesen auf, wie sich KI-Antworten entlang dieser Suchanfragen-Klassifikationen auf Website-Besucherzahlen auswirken könnten.

Bitte beachten: Bislang weiß niemand, wann und wie oft Google seine "AI Overviews" ausspielen wird. Nach dem holprigen Start in der US-Suche Mitte 2024 ist viel Nachjustieren nötig. Es wird wahrscheinlich immer Suchanfragen geben, bei denen Google keine KI-Antworten einblendet – sondern stattdessen seine klassische Suchtrefferliste, wie wir sie bislang kannten.

Deshalb: Ich arbeite im Folgenden bezogen auf die zukünftige Google-Suche nicht mit Gewissheiten, sondern mit Thesen.

Googles neue KI-Suche: AI Overviews

Ein aktuelles AI-Overview-Beispiel aus der US-Google-Suche (Deutschland und andere Länder sollen 2024 folgen):

AI Overviews: Beispiel einer KI-Antwort aus der US-Google-Suche zum Suchbegriff "how to get into harvard".
AI Overviews: Beispiel einer KI-Antwort aus der US-Google-Suche zur Suchanfrage "how to get into harvard".

Ähnlich wie ChatGPT bieten Googles "AI Overviews" umfängliche Komplettantworten auf Suchanfragen. Dass dies weniger Klicks auf verlinkte Suchtreffer mit sich bringen wird, ist sehr wahrscheinlich.

KI-Antworten in der Google-Suche: Welche Websites werden Traffic-Verluste erleben?

Gehen wir die vier Suchanfragen-Klassen aus Teil 4a durch, um diese Frage zu erörtern:  

➤ 1. Informationelle bzw. Know-/Know-Simple-Suchanfragen:

Beispielhafte informationelle Suchanfragen, die ich in Teil 4a nannte:

  • "barack obama" (Know)
  • "münchen" (Know)
  • "generative ki" (Know)
  • "barack obama alter" (Know Simple)
  • "münchen einwohnerzahl" (Know Simple)
  • "generative ki tools" (Know Simple)

Für die Suchanfragen-Klasse "Informationell" bzw. "Know / Know Simple" prognostiziere ich: Auf sie wird sich die KI-erweiterte Google-Suche am stärksten auswirken ...

  • ... bezogen auf ausbleibende Suchtreffer-Klicks 
  • und damit auf Website-Besucherzahlen informationell ausgerichteter Online-Auftritte.

Bereits heute beantwortet Google in Form sogenannter "Feature Snippets" und "Knowledge Panels" informationelle Suchanfragen direkt auf der Suchtrefferseite, ohne dass ein weiterer Klick nötig wäre. "AI Overviews" werden dies noch detaillierter tun.

Innerhalb dieser informationellen KI-Antworten wird Google organische (unbezahlte) Links zu Webseiten anbieten (siehe obiges Harvard-Beispiel). Google-Traffic wird also für informationell ausgerichtete Online-Auftritte nicht prinzipiell verloren sein.

Aber: Wie viele User*innen werden nach einer ausführlichen KI-Antwort noch das Bedürfnis verspüren, solche Links zu klicken?

Anders dürfte es aussehen bei informationellen Suchanfragen, die als Entscheidungshilfe dienen: Wer sich zum Beispiel unverbindlich informieren will über IT-Dienstleister, Gitarrenmodelle, Logistikdienstleister, E-Bike-Anbieter, Werbeagenturen, Möbelhäuser oder Zulieferer (alles spontan gewählte Beispiele), wird sich nicht zufriedengeben mit einer KI-Antwort – sondern den Online-Auftritt des Anbieters besuchen wollen.

Spannende Frage hier: Nach welchen Kriterien wählt Google aus, welche Anbieter in der jeweiligen KI-Antwort verlinkt werden? Und: Wird es dann auch möglich sein, dort Werbeflächen zu buchen?

Kommen wir zur zweiten Suchanfragen-Klasse:

➤ 2. (Trans-)Aktionale bzw. Do-Suchanfragen:

Beispielhafte (trans-)aktionale Suchanfragen, die ich in Teil 4a nannte:

  • "bmi berechnen"
  • "fahrradpumpe kaufen"
  • "paris reise buchen"

Hier lohnt es sich, nochmal zu differenzieren:

Beispiel "bmi berechnen" Die Kalkulation des Body-Mass-Index könnte das Generative-KI-Feature innerhalb der Google-Suche selbst durchführen. Eine Verlinkung wäre nicht mehr nötig. ChatGPT tut genau dies: Es berechnet auf Wunsch den BMI. Was wird Google künftig in seiner KI-angereicherten Suche tun? Selbst berechnen oder weiterhin auf Websites mit Rechnern verlinken?

Beispiele "fahrradpumpe kaufen" und "paris reise buchen": Nach welchen Kriterien würde die Google-KI hier welche Anbieter in einer KI-Antwort organisch (unbezahlt) verlinken?

Es bleibt – Stand heute – offen, wie stark oder schwach sich KI-Antworten auf das Klickverhalten bei (trans-)aktionalen Suchanfragen auswirken werden. Für manche Websites wird es große Traffic-Verluste mit sich bringen, für andere weniger große. Ich erwarte, dass Google in kurzer Zeit vieles regelmäßig verändern wird, um verschiedene UX-Szenarien zu testen.

Schauen wir auf die dritte Suchanfragen-Klasse:

➤ 3. Navigationale bzw. Website-Suchanfragen:

Die in Teil 4a genannte Beispiele für navigationale bzw. Website-Suchanfragen waren:

  • "zalando schuhe"
  • "amazon mikrowellen"
  • "www.bmw.de"
  • "www.apple.com"

Dieser Fall gestaltet sich einfacher: Wer navigational googelt, nutzt die Suchmaschine nur als Vehikel, um direkt auf der gewünschten Website rauszukommen. Die Logik eines Traffic-Verlustes durch KI-Antworten greift hier nicht.

Blicken wir auf die vierte und letzte Suchanfragen-Klasse:

➤ 4. Visit-in-Person bzw. lokale Suchanfragen:

Die in Teil 4a genannten Beispiele für lokale Suchanfragen lauteten:

  • "cafes in meiner nähe"
  • "wo ist die nächste tankstelle"
  • "friseur nürnberg"

Lokale Suchanfragen triggern in der Google-Suche bereits heute informative Komplett-Übersichten, sodass ich zu behaupten wage: "AI Overviews" wird es nicht zu lokalen Suchanfragen geben – weil sie User*innen keinen Mehrwert bieten würden. 

Ein Beispiel einer lokalen bzw. Visit-in-Person-Suchanfrage, wie sie Google bereits heute ohne KI-Feature verwirklicht:

Beispiel für eine lokale Google-Suchanfrage anhand des Suchbegriffs "friseur nürnberg"
Beispiel für eine lokale Google-Suchanfrage anhand des Suchbegriffs "friseur nürnberg"

Diese Stärke bei der lokalen Online-Suche sehe ich als einen der Trümpfe Googles gegenüber Herausforderern wie OpenAI (ChatGPT-Anbieter): Letztgenannte können – Stand heute – diese Kombination aus Maps, Bewertungen und Zusatzinformationen nicht bieten.

Generative KI-Antworten in der Google-Suche: Was bedeuten sie für Website-Betreiber*innen?

Blicken wir abschließend erneut auf die Ausgangsfrage:

➤ Lassen künftige KI-Antworten in der Google-Suche die Besucherzahlen von Websites einbrechen?

Meine Prognosen:

  • Am stärksten betroffen sein werden Websites, deren Content hauptsächlich der Wissensvermittlung dient.
  • Am wenigsten bis gar nicht betroffen sein werden Websites mit lokaler Zielgruppe: Wer etwas vor Ort sucht, wird wie bisher "klassisch" googeln.

Es bleiben viele Fragen offen – was jedoch wissenschaftlich bewiesen ist: Das menschliche Gehirn will Arbeit vermeiden, um Energie zu sparen. Die klassische Google-Suche war bislang wenig energiesparend: Jede Suchtreffer-Auswahl, jeder Klick und jeder anschließende Webseiten-Scan bedeuten zusätzliche Arbeit für das Oberstübchen. Deshalb werden User*innen mehrheitlich Antworten bevorzugen, die passgenau, umfassend und erschöpfend ihre Suchanfragen auf einen Blick beantworten – so wie es Googles "AI Overviews" oder Tools wie ChatGPT beabsichtigen zu tun. 

Heißt: Die Google-Suche wird sich KI-bedingt deutlich verändern – und mit ihr das Klickverhalten googelnder Menschen.

Deshalb lautet mein Rat Mitte 2024 an Website-Betreiber*innen: Vermeidet in eurem Online-Marketing-Mix ein Klumpenrisiko. Der Begriff entstammt der Finanzwirtschaft und beschreibt das Risiko, ein Vermögensportfolio zu einseitig auf bestimmte Unternehmen, Branchen, Länder oder Anlageklassen auszurichten. Beispiel: Kaufe ich nur Aktien eines einzigen Unternehmens und dieses gerät in Schieflage, schmiert mein gesamtes Investment ab (historisches Beispiel: Googelt mal "absturz volksaktie").

Daher empfehlen Verbraucherschützer bei der Geldanlage die Diversifikation, auch Risikostreuung genannt: Statt das Investment zu einseitig auszurichten, sollte es über viele Unternehmen, Branchen, Länder und Anlageklassen gestreut werden.  

Übertragen auf unser Google-Thema bedeutet das: Kamen eure Website-Besucher*innen bislang hauptsächlich über die unbezahlte Google-Suche, solltet ihr hier vorausschauend diversifizieren – weil das Risiko besteht, durch die fortschreitende "KI-isierung" der Google-Suche (deutlich) weniger Besucher*innen über diesen Kanal zu bekommen.

Wie kann diese Risikostreuung aussehen? Und werden generative KI-Antworten in der Google-Suche bezahlte Suchanzeigen (Google Ads) boomen lassen? Das schildere ich im fünften und letzten Teil meiner Blog-Specials zur Zukunft der Google-Suche.

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