Marketing trifft Hirnforschung: Wie eure Zielgruppe tatsächlich entscheidet

Die Hirnforschung weiß schon lange: Menschen entscheiden vorrangig unbewusst und rationalisieren ihre Entscheidungen nachträglich. Einen "Homo oeconomicus" (einen ausschließlich rational handelnden Menschen) hat es nie gegeben. Entsprechend müsst ihr eure Marketing-Botschaften ausrichten, um es in das Kaufentscheidungs-Finale eurer Zielgruppe zu schaffen. Das Wichtigste auf einen Blick.


Marketing-Botschaften entlang des limbischen Systems: Balance, Dominanz & Stimulanz (in Anlehnung an Häusel)
Marketing-Botschaften entlang des limbischen Systems: Balance, Dominanz & Stimulanz (in Anlehnung an Häusel)

Der deutsch-britische Hirnforscher John-Dylan Haynes (*1971) sagte in einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur im Jahr 2016 (Link zur Quelle am Beitragsende):

"Man weiß generell, dass Menschen nicht gut darin sind, zu sagen, warum sie sich auf eine bestimmte Art und Weise entschieden haben. Wir handeln oft intuitiv, ganz oft können wir gar nicht die Gründe angeben, warum wir eine Entscheidung gefällt haben, und selbst wenn wir diese Gründe angeben, sind sie oft falsch, [...]."

Der australische Neurowissenschaftler Allan Snyder (*1942) umschreibt die Vorherrschaft des Unbewussten bei Entscheidungen folgendermaßen (Link zur Quelle am Beitragsende): 

"Bewusstsein ist nur eine PR-Aktion Ihres Gehirns, damit Sie denken, Sie hätten auch noch was zu sagen."

Der deutsche Psychologe und Hirnforscher Hans-Georg Häusel (*1951) ergänzt in seinem Buch "Life code" (2020):

"Emotionen sind nicht nur schmückendes Beiwerk unseres Denkens und Entscheidens. [...]. Es gibt nicht eine einzige (wichtige) Entscheidung, die nicht einen emotionalen Urgrund hätte."

Bezüglich der Frage, welche Hirn-Areale maßgeblich an der unbewussten Entscheidungsfindung beteiligt sind, schreibt Häusel:

"Beim limbischen System handelt es sich nicht um eine funktionale Einheit im Gehirn, [...]. Es sind verschiedene Bereiche und Kerne im Gehirn. Eines aber haben sie alle gemeinsam: Sie sind im Wesentlichen an der Emotionsverarbeitung beteiligt."

Weil an dieser Stelle gerne mal ein "Ja, aber …" kommt: Wir reden hier von wissenschaftlichen Fakten – und die gelten für alle Menschen in allen Situationen. Es gibt kein "rationales B2B-Gehirn" und wer euch erzählt, er/sie würde stets maximal rational entscheiden, ist definitiv ein Opfer der oben genannten PR-Aktion seines/ihres eigenen Gehirns geworden.

Warum arbeitet unser Oberstübchen vorrangig unbewusst? Antwort: Weil es Energie sparen will. Häusel schreibt dazu:

"[...] unsere zentralen Lebensziele oder Aufgaben aus Sicht der Evolution sind: überleben und fortpflanzen. [...]. Unser Gehirn ist ein ziemlich fauler Geselle. Es will Energie sparen und vermeidet deshalb das Denken und alles Komplizierte."

Schwenken wir auf das Thema (Online-)Marketing: Wie könnt ihr mit welchen Botschaften das limbische System eurer Zielgruppen bestmöglich adressieren – um deren (Kauf-)Entscheidungen zu euren Gunsten ausfallen zu lassen? Das schauen wir uns jetzt an:

Limbisches System: Marketing-Botschaften "gehirngerecht" gestalten

In seinem Buch "Think Limbic!" von 2019 schreibt Häusel:

"Das limbische System entscheidet über den Erfolg oder den Misserfolg einer Werbebotschaft. Nur Botschaften, die möglichst direkt die Emotionssysteme ansprechen, haben die Chance auf einen Logenplatz im Kopf des Verbrauchers."

Sollen es eure Marketing-Botschaften in das Kurzzeitgedächtnis eurer Zielgruppe schaffen, müssen sie die Aufmerksamkeit des limbischen Systems auf sich ziehen. Bildhaft gesprochen muss die Marketing-Botschaft laut Häusel eine der folgenden (unbewussten!) Fragen der Zielgruppe positiv beantworten:

  • Balance: Trägst du zu meiner Sicherheit, Ruhe, Stabilität bei?
  • Dominanz: Lässt du mich mächtiger und stärker werden als andere?
  • Stimulanz: Verschaffst du mir neue lustvolle Reize und Erlebnisse?
Zusätzlich gibt es laut Häusel folgende Mischformen:
  • Abenteuerlust als Mischung aus Dominanz und Stimulanz.
  • Offenheit als Mischung aus Stimulanz und Balance.
  • Kontrolle als Mischung aus Balance und Dominanz.

Gelingt es der Marketing-Botschaft, limbisch zu wirken, schafft sie es ins Langzeitgedächtnis der Zielgruppe – wenn sie denn oft genug wiederholt wird.

Auch hier nochmal der Hinweis: Diese psychologischen Mechanismen sind a) hochgradig unbewusst und b) gelten mit gleicher Intensität für hochtechnische B2B-Produkte und B2B-Entscheider*innen. Ein menschliches Gehirn ist ein menschliches Gehirn – und das hat sich in seiner äußeren Organisation seit etwa 35.000 Jahren nicht verändert (Link zur Quelle am Beitragsende).

Limbisches System & Marketing-Botschaften: Die Rolle des Lebensalters

Häusel betont, dass das Alter der Zielgruppe neurobiologisch relevant ist: Ein älteres Gehirn hat bereits etablierte Strukturen. Entsprechend schwer ist es hier, neue Botschaften zu platzieren. Die Hirnstrukturen junger Menschen dagegen sind beeinflussbarer.

Häusel bringt die Marketing-Erfolgsformel in seinem Buch folgendermaßen auf den Punkt:

"Beginne früh, kommuniziere limbisch und wiederhole häufig."

Euer Blogger kann das bestätigen: Ich bin seit rund 30 Jahren Metal-Gitarrist. Als ich Teenager war (yes, im letzten Jahrtausend ;-)), spielten meine Lieblingsbands fast durchgängig Gitarren der Marke Jackson Guitars (mittlerweile eine Fender-Tochter). Jackson ist bis heute meine unangefochtene Lieblings-Gitarrenmarke (einzig ESP Guitars kommt in die Nähe). 

Die Marketing-Rechnung "Beginne früh, kommuniziere limbisch und wiederhole häufig" ging bei meinem jungen Ich voll auf: Andere oder neuere E-Gitarrenmarken haben es bei mir im fortgeschrittenen Alter immens schwer, auf meine Kaufentscheidungs-Shortlist zu kommen. 

Kein Kaufknopf im Kopf der Zielgruppe

Die genannten Erkenntnisse sind aus Marketingsicht keine Erfolgsgarantie und kein Automatismus: Sie können euch helfen, eure Marke bzw. euer Angebot in die Kaufentscheidungs-Endrunde zu bringen – ein Kaufabschluss ist das aber noch lange nicht.

Die oben genannten limbischen Botschaften müsst ihr zunächst in hochwertigen Content verwandeln. Die Marschroute lautet: Erstellt aussagekräftige, hochwertige und vor allem glaubwürdige Inhalte, die das Balance- oder Dominanz- oder Stimulanz-System eurer Zielgruppen triggern. 

Ich wünsche euch viel Erfolg dabei!

Quellen:

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